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Wenn Friederike dachte ihr Kindheit war
von nichts Anderem beherrscht als lernen, dann hatte sie sich geirrt.
Seit sie ein Teenager war, trieb Friedbert sie noch härter, noch
erbarmungsloser an.
Er hatte kein freundliches Wort mehr
für sie, er war mit nichts zufrieden. So sehr sie sich auch bemühte,
es war ihm nie genug.
Nahm sie sich eine Auszeit von den
Büchern und Experimenten, weil der ständige Druck seinen Tribut
forderte, schimpfte er sie undankbar und faul.
Doch nicht nur ihr Vater machte ihr zu
schaffen. Die Mauern der Burg, die Wüste und diese Einsamkeit
zerrten an ihren Nerven. Die Wutanfälle kamen in immer kürzeren
Abständen, sie wurden immer heftiger. Sie versuchte sie vor
Friedbert und Klaus zu verheimlichen, doch sie wusste nicht wie lange
sie das noch durchhalten würde.
Friederike hatte Angst irgendwann den
Verstand zu verlieren.
Nach wie vor schlich sie sich entgegen
Friedberts Verbot in den ersten Stock, an die Zimmertür hinter der
der Mann gefangen war, der sie geboren hatte. Sie lauschte auf
Geräusche, sie hörte seine schlurfenden Schritte. Und sie
realisierte, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, mit ihm
sprechen zu können. Friederike lehnte sich gegen die Tür und
räusperte sich leise, darauf bedacht dass Friedbert nichts mitbekam.
„Daddy?“
Drinnen hob Terry ungläubig den Kopf,
zunächst seinen Sinnen nicht trauend. Doch wieder rief die leise
Stimme ihn. Er eilte zur Tür.
„Friederike?!“
Sekundenlang war nichts zu hören und
Terry wollte sich schon enttäuscht abwenden, als leises Schluchzen
durch die Tür drang.
„Daddy, es tut mir leid...“
Ungläubig starrte er die Türe an,
dann lehnte er seinen Kopf an das harte Holz, um seiner Tochter näher
zu sein.
„Es muss Dir nicht leid tun. Du hast
keine Schuld.“
Friederike stemmte sich gegen die Tür,
doch sie gab keinen Millimeter nach.
„Ich... ich kann nichts tun. Ich kann
diese Tür nicht öffnen.“
Jegliche Hoffnung, die in Terry
aufgekeimt war, zerfiel. Er war glücklich dass seine Tochter sich
endlich seiner erinnern zu schien, doch die Hoffnungslosigkeit, die
er in ihrer jungen Stimme vernahm und die Gewissheit dass er immer
noch in diesem Zimmer ausharren musste, ließ ihn beinahe
zusammenbrechen. Er krallte seine Finger in das Holz.
„Vielleicht findest Du einen anderen
Weg. Bitte!“
Wieder schniefte es und ehe Friederike
antworten konnte, bellte Friedberts Stimme nach ihr und sie
verschwand.
Abends, wenn Friedbert das Haus verließ
um seinen heimlichen Geschäften nachzugehen, saß Friederike gerne
auf dem Dach der Burg und starrte über die Zinnen hinaus in die
Wüste. Sie konnte die ganze Nacht so sitzen, denn inzwischen
brauchte sie keinen Schlaf mehr, wie Friedbert. Doch wirklich
genießen konnte sie die einsamen Stunden, die sie Ruhe vor ihrem
tyrannischen Vater hatte, nicht. Den kleinen Geräuschen der Nacht
lauschend, hing sie ihren Gedanken nach, die von innerer Unruhe und
Zorn bestimmt waren.
Auch diese Nacht starrte sie vor sich
hin, hätte man sie gefragt was sie dort draußen sieht, hätte sie
es nicht sagen können. Doch im Gegensatz zu sonst war sie heute
nicht der einzige Sim, der die Kühle der Nacht genießen wollte.
Klaus ging neben ihrem Stuhl in die
Hocke und lächelte zu ihr auf.
„Friert es Dich nicht, wenn Du die
Nächte hier oben verbringst? Nachts wird es in der Wüste ziemlich
frisch.“
„Schleichst Du mir etwa nach?“
konterte Friederike mit einer Gegenfrage, das leichte Lächeln
erwidernd.
Klaus schmunzelte. „Nein, aber es
fällt schon auf wenn junge Damen die Nächte auf dem Dach
verbringen.“
Der neckende Unterton in Klaus Stimme
ärgerte und amüsierte Friederike gleichermaßen. Sie gluckste kurz,
doch dann starrte sie wieder in die Nacht hinaus, als wäre er gar
nicht da.
„Was soll ich denn sonst tun“
antwortete sie nach einer Weile.
„Schlafen, wie andere Sims auch?“
Friederike schluckte die aufkommende
Bitterkeit hinunter und stand auf.
„Ich kann nicht schlafen.“
Besorgt, weil der kleine Anflug von
Leichtigkeit aus ihrer Stimme verschwunden war, kam Klaus ihr nach.
„Willst Du drüber reden?“
Friederike drehte sich wieder zu ihm
und musterte ihn misstrauisch.
„Was willst Du, Klaus? Warum bist Du
hier rauf gekommen?“
Nun war es an ihm in die Nacht zu
starren.
„Vielleicht, weil auch ich jemanden
zum Reden brauche.“
Verwundert musterte das Mädchen den
Mann mit dem markanten Gesicht. Klaus hatte sich seit ihrer Ankunft
in der Burg ihr gegenüber als freundlich, aber meist zurückhaltend
erwiesen. Er hatte nichts zu den Geschehnissen gesagt, noch wusste
Friederike was zwischen Klaus und Friedbert vor sich ging. Sie wusste
nur, dass inzwischen nicht nur sie unter der tyrannischen Art ihres
Vaters zu leiden hatte, Klaus wurde ebenso unter Druck gesetzt.
Sie kam neben ihn und schaute ebenfalls
wieder in die Nacht.
„Das ist das erste Mal seit Langem
das sich jemand mit mir unterhalten möchte.“
Klaus seufzte. „Das Gefühl kenne
ich.“
„Dad und Du, Ihr redet wohl nicht
viel, wenn ihr alleine seid“ zog Friederike ihn auf.
Das Lachen, dass der Mann neben ihr von
sich gab, klang hohl.
„Man kann nicht mit jemandem reden,
der nicht da ist, oder?“
„Oh“ gab Friederike zurück. „Ich
dachte Dad und Du...“
Klaus verzog das Gesicht. „Nein. Oder
besser gesagt... nicht mehr.“
„Nicht mehr?“
„Jeder macht mal Fehler“ meinte
Klaus nur und starrte wieder vor sich hin.
„Ja“ gab Friederike knapp zurück
und musterte ihn verstohlen. Den Eindruck eines glücklichen Sim
machte er wirklich nicht. Ein anderer unglücklicher Mann kam ihr in
den Sinn, im Zimmer genau unter ihnen. Ihre Gedanken rasten. War das
ihre Chance?
„Hilf mir meinen Daddy zu befreien.“
Klaus drehte sich langsam um und
starrte sie an, dann schüttelte er resigniert den Kopf.“
„Das kann ich nicht.“
Friederike spürte wieder den Zorn in
ihr hochkochen und sie ballte die Fäuste um zu verhindern das sie
sich auf Klaus stürzte.
„Warum nicht! Du bist genau so gemein
wie mein Vater!“
Hilflos hob er die Hände. „Beruhige
Dich! Ich kann keine der Türen hier öffnen! Er hat alles
umprogrammiert!“
Das Mädchen tobte, als hätte sie
seine Worte gar nicht gehört. Klaus packte sie an den Handgelenken
und drückte sie auf den Stuhl.
„Ruhig, Friederike. Atme tief, immer
weiter tief atmen.“
Klaus zwang das Mädchen ihm in die
Augen zu sehen und machte jeden Atemzug mit ihr gemeinsam, bis sie in
seinen Rhythmus eingefallen war und sich wieder beruhigt hatte. Nach
einem Moment ließ er sie los.
„Du kannst es nicht kontrollieren,
richtig?“
Langsam schüttelte Friederike den
Kopf.
„Es überfällt mich einfach.“
„Ich könnte versuchen ein Mittel
dagegen zu finden, wenn Du möchtest.“
Erstaunt musterte Friederike den Mann
vor ihr.
„Du willst mir helfen? Warum?“
Klaus seufzte tief, dann trafen sich
wieder ihre Blicke.
„Weil wir beide hier raus wollen. Ich
helfe Dir und Du hilfst mir.“
„Du willst aus Deinem eigenen Haus
raus?“
„Wie gesagt, ein Fehler“ gab Klaus
zurück, peinlich berührt.
Friederike musterte ihn zunächst
argwöhnisch, doch beschloss dann ihm zu glauben.
„Wie könnte ich Dir schon helfen.“
„Ich habe keine Ahnung von Computern.
Friedbert hat das alles entwickelt. Du hast alles von ihm gelernt.
Vielleicht kannst Du dieses verdammte Zugangssystem knacken.“
Friederike schnaubte, dann schüttelte
sie den Kopf.
„Er hat mich nur das gelehrt, was
sein Ego nicht gefährdet.“
Klaus hatte das zwar befürchtet,
trotzdem traf Friederikes Antwort ihn hart. Hoffnung war solch ein
verführerisches Ding.
„Wir versuchen es trotzdem. Ich suche
ein Medikament für Deine Anfälle und Du knackst diesen Computer.“
Hoffnung keimte in Friederike auf.
Hoffnung auf Hilfe. Hoffnung hier heraus zu kommen. Hoffnung auf ein
normales Leben ohne Anfälle. Hoffnung ihren anderen Vater zu
befreien.
„Einverstanden“ erklärte sie und
hielt Klaus die Hand hin.
Der Mann erwiderte den Händedruck.
„Also abgemacht. Und nun entschuldige
mich bitte, es ist spät und im Gegensatz zu Euch Beiden brauche ich
ab und an Schlaf. Gute Nacht.“
Klaus schenkte ihr noch ein kleines
Lächeln, dann ging er davon und überließ seine neue Verbündete
wieder den Geräuschen der Nacht und den Sternen, die auf sie
herunter schienen.
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