Montag, 24. März 2014

Teil 44 - Wiedersehen

Vorher: Teil 43 - MarganA

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Doktor Einsam war nicht undankbar, als ein Klopfen an der Tür ihn vom Autopsiebericht, den er gerade gelesen hatte, ablenkte. Allerdings hätte er sich eine angenehmere Gesellschaft als die beiden Polizistinnen von Strangetown gewünscht.
„Officers“ begrüßte er die beiden Beamtinnen. „Nichts los auf der Straße?“




Rivendell setzte sich ungefragt und Skadi Ase machte es ihrer Kollegin einfach nach.
„In solch einem Kaff wie diesem? Komm schon Arthur, Du musst Dir Deine Patienten schon woanders besorgen.“
„Mir reichen die, die ich bereits habe“ seufzte der Doktor. „Und der Bericht, den ich gerade gelesen habe.“
„Ja, ist nicht schön“ gab Rivendell zurück. „Ist nicht viel von ihm übriggeblieben.“
„Außer den Zähnen und seine Millionen“ grinste Skadi, was ihr einen strafenden Seitenblick von Rivendell einbrachte.




Arthur hob die Hände.
„Moment, Mädels. Ihr wollt doch nicht andeuten das Terry Kurios seinen Ehemann umgebracht hat... Nein, niemals.“
„Warum nicht? Immerhin kommt ihm der Witwenstand ganz gelegen, nicht?“ lauerte Rivendell und Arthur schüttelte entschlossen den Kopf.
„Terry ist dazu überhaupt nicht in der Lage. Ihr habt ihn doch selbst gesehen. Den muss ich erst mal wieder auf die Beine bringen.“
Rivendell nickte. „Schon gut. Ich hab ja Augen im Kopf. Und trotzdem fragen wir uns, wer es schafft einem Mann sämtliche Knochen im Leib zu brechen.“
Der Mediziner zuckte die Schultern.
„Das frage ich mich auch, aber das ist Euer Job. Leider ist der, der Terrys Unschuld beweisen könnte tot und das Kind verschwunden. Noch so ein Rätsel, das Ihr vornehmlich lösen solltet und nicht dem armen Mann noch mehr Kummer aufbürden. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss mich hier um andere Dinge kümmern, auch wenn ich Eure Gesellschaft wirklich genieße.“




Skadi grinste und erhob sich. Rivendell folgte ihrem Beispiel.
„Wir gehen ja schon. Noch frohes Schaffen, Doc. Und Gruß an Deine Frau.“
Arthur stöhnte, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. Das fehlte noch das man Terry nach alldem, was er durchgemacht hatte, die Schuld an Friedberts Tod gab. Er öffnete ein anderes Programm und tippte eifrig auf den Tasten herum. Sein Untersuchungsbericht würde hoffentlich jeglichen Verdacht eliminieren.


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Ich stöhnte, als ich mich aus einem wirren Traum aus Rauch, Feuer und Pein nach oben kämpfte.
Doch immer noch schlug mir die Hitze des Infernos ins Gesicht und die Flammen strichen über meine Stirn.
Im Halbschlaf versuchte ich sie wegzustreichen. Müßig,was konnte ich schon mit meinen blanken Händen gegen Flammen ausrichten...
„Shhh, ist gut Liebling, alles ist gut. Du bist in Sicherheit.“
Irritiert schlug ich die Augen auf. Doch da war keine Hitze die mich zu versengen drohte und keine Flammen die meine Haut zerstörten. Da war nur das Licht der Sonne, zwei verweinte braune Augen und Finger, die mich sanft streichelten.
„Lara?!“




Schluchzend drückte sie ihr Gesicht an meine Schulter und hielt mich umklammert.
„Terry! Oh gütige Simgöttin, endlich bist Du wach!“
Unfähig etwas zu erwidern hielt ich mich an ihrem Arm fest und ließ sie weinen. In ihrem Schluchzen lag soviel Schmerz und Erleichterung, das es mir fast das Herz aus dem Leibe riss.
Erinnerungen an die letzten Monate überfielen mich, an Enge, Hunger und Angst, an Feuer und an das Schlimmste überhaupt, an die Hoffnungslosigkeit, die auch sie gefühlt haben musste.
„Lara“ krächzte ich, immer noch den Rauch in der Kehle spürend. „Maus, es ist alles gut.“




Sie sah mir in die Augen und nickte.
„Ja, jetzt ist alles gut, alles gut.“
Sie küsste mich vorsichtig auf meine zersprungenen Lippen und ich glaubte, es war der beste und schönste Kuss, den ich je bekommen hatte.
Ich schickte ein Dankesgebet zur Simgöttin. Ich war am Leben und ich war bei der Frau, die ich liebte.




Doch trotz all der Freude spürte ich schnell was die vergangenen Monate von mir gefordert hatten. Meine Kehle fühlte sich rau und mein Magen leer an.
„Ich habe Hunger“ wisperte ich und Lara sprang sofort auf.
„Ich kümmere mich darum. Ruh Dich aus, ich sage nur schnell Doktor Einsam Bescheid.“
Mir war alles Recht. Ich schloss meine Augen um sie gegen die Helligkeit zu schützen. Irgendwie fühlte sich mein ganzer Körper trocken und durstig an.




Lara saß wenig später beim Doktor, während ich von Schwester Freyja versorgt wurde.
„Wir dürfen ihm nicht gleich zu viel zumuten, Lara.“
„Aber er soll doch wissen das er Vater geworden ist“ protestierte sie leise. „Ich kann ihm das doch nicht einfach vorenthalten.“
„Natürlich nicht, aber er soll sich erst mal erholen.“
„Das wird er auch“ erwiderte Lara energisch. „Terry liebt Kinder. Und er braucht etwas, das ihn ablenkt, von all dem, was passiert ist...“ Ihre Stimme wurde leiser. „...und dem, was er noch nicht weiß.“
Arthur Einsam seufzte. „Bringen Sie es ihm um Himmels Willen schonend bei.“




Nach einer warmen Mahlzeit und einem Mittagsschläfchen bekam ich Besuch von den beiden. Der gute Doktor musterte mich und lächelte leicht.
„Sie sehen ja langsam besser aus, Terry. Kein Wunder nach dem langen Schönheitsschlaf.“
Ich richtete mich langsam auf.
„Schönheitsschlaf? Ich komme mir eher wie Dornröschen vor.“
Wach geküsst worden war ich ja fast.




„Kommt hin“ meinte der Mediziner. „Lange genug geschlafen haben Sie schließlich. Und das war auch gut so. Aber nun brauchen Sie ein wenig Bewegung und Kreislauf und Muskeln müssen wieder etwas zu tun bekommen. Sonst handeln Sie sich noch ganz andere Probleme ein als ein paar Brandblasen. Und morgen machen wir noch ein paar Untersuchungen.“
„Moment“ warf ich ein, kaum das der Doktor geendet hatte. „Heißt das, ich darf nicht nach Hause?“




Arthur Einsam schüttelte den Kopf, während sich Laras Hand auf meine Schulter schob. Instinktiv griff ich danach.
„Ich will sie beide noch unter Beobachtung haben. Gönnen Sie sich einfach die Zeit um sich zu erholen.“
Der Arzt verließ das Zimmer und Lara bot mir an meinen Trainingsanzug aus dem Schrank zu holen.
Ich saß benommen auf dem Bett. Ich wollte einfach nur nach Hause, zu meiner Familie und alles vergessen.




Lara ließ mich dann alleine, damit ich mich frisch machen konnte. Wie schon so oft in den vergangenen Wochen starrte ich mein Spiegelbild an. Himmel, ich sah wirklich schlimm aus. Ein abgerissener Straßenköter war eine Schönheit gegen mich. Und wo kamen nur all die Falten her? Ich konnte es nicht mehr abstreiten, ich wurde alt. Da machte es gar nichts, das man mir die Piercings wegen der Wunden herausgenommen hatte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit sie abzulegen.
Die trüben Gedanken abschüttelnd griff ich zu Schere und Waschzeug und versuchte mich in einen respektablen Zustand zu bringen. 




Ich wurde nur wenig später von Lara abgeholt und sie führte mich nicht nach draußen auf einen Spaziergang, sonder auf die andere Seite des Gebäudes. Plötzlich fiel mir auf das auch sie im Trainingsanzug war und das, obwohl sie früher nie so aus dem Haus gegangen wäre. Das Gespräch mit Doktor Einsam kam mir in den Sinn.
Ich will sie beide noch unter Beobachtung haben.
Ich stoppte. „Lara, was stimmt hier nicht?“
Sie blieb ebenfalls stehen und musterte mich, dann begriff sie.
„Bitte Terry. Ich... erkläre Dir alles gleich.“




 
Sie führte mich durch eine Tür, die mir irgendwie bekannt vorkam, doch ehe ich mir darüber Gedanken machen konnte, fiel mir mein Bruder in die Arme.
Mir war nicht bewusst wie sehr Rick mir gefehlt hatte. Wo waren nur die Jahre geblieben, nach seinem Besuch? Es war lange, viel zu lange her.




Langsam lösten wir uns voneinander und musterten uns.
„Du siehst scheiße aus, großer Bruder“ konstatierte Rick auf seine unnachahmliche Art.
„Und Du dafür unverschämt gut“ gab ich zurück. „Hast endlich was auf den Rippen und gesunde Farbe im Gesicht.“
Wir wurden beide wieder ernst.
„Tut gut Dich zu sehen, Terry. Wirklich gut.“
Ich wusste was er meinte und was er fühlte. Und auch ich fühlte wieder diese Verbundenheit mit meinem kleinen Bruder, die trotz großer Entfernung nie vergehen würde.




Ein Geräusch riss mich aus diesem besonderen Moment, eines das ich schon lange nicht mehr gehört hatte und mir doch so vertraut war. Und plötzlich erkannte ich auch den Raum.
Ich glaubte mein Herz blieb für eine Sekunde stehen. Lara beugte sich über das winzige Wesen und streichelte es sanft über das Köpfchen.
„Was ist denn das?“ entfuhr es mir.
„Du meine Güte, Terry!“ rief Rick kopfschüttelnd. „Hast Du in den paar Monaten vergessen wie ein Baby aussieht? Das ist Deine Tochter!“




„Und hier ist die Zweite.“
Lara deutete in die andere Ecke und mir schwindelte, so dass ich mich einfach aufs Bett fallen ließ.
Zwei Töchter.
Ich starrte das kleine Wesen in dem Bettchen an und fühlte Laras Hand auf meiner Schulter. Weder sie noch Rick sagten etwas und überließen mich meinen Gedanken.
Zwei Babys.
Mir war sofort klar, dass es meine Kinder waren. Ich konnte es fühlen und Lara war keine Frau, die jemandem Kuckuckskinder andrehte.
Es war auch nicht schwer nachzurechnen wann sie entstanden sein mussten, immerhin waren wir nicht gerade zurückhaltend gewesen...




Aber Himmel, auch wenn ich Kinder liebte, wir waren nicht mehr die Jüngsten. Ich hätte niemals noch weitere Kinder geplant und mir ging auf, wie verantwortungslos wir waren. Und wie furchtbar die Zeit der Ungewissheit für Lara gewesen sein musste, während ich nichtsahnend eingesperrt war und über mein ach so schlimmes Schicksal haderte.
Was würde nun werden? Würden wir die beiden denn zu glücklichen Sims aufziehen können, würden wir denn die Zeit und den Frieden dafür haben?
Ich zuckte zusammen.
Friedbert.“
„Was?“
Ich hatte nicht gemerkt das ich den Namen laut ausgesprochen hatte.
„Er darf nicht herausfinden, das es die beiden gibt.“




Lara wechselte einen Blick mit Rick, der irgendwie angespannt wirkte. Ich beobachtete verwundert wie Lara vor mir auf die Knie ging und meine Hände nahm.
„Terry...“ Sie schien nach Worten zu suchen. „Terry, er... er ist tot. Man hat ihn gefunden... nach dem Brand.“
Ich starrte sie an. Unsicher nahm sie ihre Hände von den meinen und musterte mich eindringlich.
„Terry, verstehst Du mich?“
„Friederike?“ fragte ich tonlos.
Die beiden hatten keine Antwort.




Ein Zittern lief durch meinen Körper und ich sprang auf. Alles schien auf mich einzustürzen und ich brach in Tränen aus.
Du bist frei“ hämmerte es durch meinen Kopf, „Frei, frei.“
Kein Friedbert mehr, keine Kälte, keine Gefangenschaft, keine Lieblosigkeit. Doch da war keine Freude, weder in meinem Kopf, noch in meinem Herzen. Dort war nur Chaos. Denn auch wenn ich fühlte das ich mich über meine neugeborenen Töchter freute, den Verlust der Ersten konnte es nicht wettmachen.
Lara und Rick taten ihr Bestes mich zu beruhigen, doch ihre Worte drangen nicht zu mir durch. Ich war mit den Nerven völlig am Ende.




Als auch noch die Babys anfingen zu weinen, nahm Rick mich am Arm und brachte mich zur Tür.
„Du solltest Dich ausruhen, Terry. Das war einfach zu viel, tut mir leid.“
Ich hörte seine Stimme kaum durch mein Schluchzen. Willenlos ließ ich mich von ihm aus dem Zimmer ziehen, während Lara sich um unsere Kinder kümmerte.




Er steckte mich in mein Bett und deckte mich zu, gerade so wie ich ihn immer ins Bett gebracht hatte, damals, als wir noch Kinder waren.
„Schlaf, großer Bruder. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus.“


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Teil 45 - Was lange währt



































Sonntag, 9. März 2014

Teil 43 - Margana

Vorher: Teil 42 - Monster

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Eigentlich war Schwester Freyja gegen zu viel Trubel im Hospital. Eigentlich würde eine Frau, die einen Tag vorher erst entbunden hatte, Ruhe brauchen, keine Horden von Verwandten und Freunden. Und eigentlich war sie doch froh, dass Lara Larson eine so große Familie hatte, die sich um sie kümmern konnte.
Das würde die frischgebackene Zwillingsmutter auch dringend nötig haben.




Lars begutachtete seine neuen Schwestern mit einem Lächeln, doch darin verbargen sich sehr gemischte Gefühle. Mutter und Kinder hatten die Geburt gut überstanden und die beiden Zwillingsmädchen waren gut entwickelt und mussten nicht in den Brutkasten. Doch konnte die ausgelassene Stimmung und Laras kleines Lächeln nicht darüber hinwegtäuschen das etwas Entscheidendes fehlte. Lars konnte die Anstrengungen und die Sorgen der letzten Tage und Wochen im Gesicht seiner Mutter sehen. Was würde werden wenn der Vater der Mädchen nicht mehr gefunden wurde?




Irgendwie hatte sich Lars in den letzten Monaten zum Oberhaupt des Larson-Clans entwickelt, denn jeder kam mit seinen Sorgen zu ihm. Auch war er seit der Geburt von Philipp und Lukas mit dem einzigen Mediziner in Strangetown befreundet. Also wunderte es den großen Mann nicht, dass Arthur Einsam ihn nach draußen bat und mit dem neusten Problem in der Familie konfrontierte.
„Ich bin mit den Babys zufrieden“ erklärte der Doktor, „aber Deine Mutter macht mir Sorgen.“




„Was ist mit ihr?“ fragte Lars erschrocken. „Sie macht doch einen guten Eindruck auf mich.“
„Oh, körperlich ist sie völlig in Ordnung, wenn man bedenkt was sie gerade geleistet hat. Aber ihr seelischer Zustand gefällt mir nicht.“
Lars seufzte. „Ich weiß. Aber wir können meinen Vater nicht herbeizaubern. Und eigentlich... gehe ich inzwischen vom Schlimmsten aus.“
„Gut möglich. Aber genau deswegen müsst Ihr ihr jede Hilfe bieten, die Ihr geben könnt.“
„Wir sind für sie da, egal wie“ versicherte Lars. „Ihr und meinen Geschwistern wird es an nichts fehlen.“
Doktor Einsam nickte. Das Verschwinden von Terry hatte wenigstens ein Gutes: es hatte die Familie noch mehr zusammen geschweißt. Aber fehlen würde Lara auf jeden Fall etwas, eben das, das ihr die Familie nicht geben konnte.




Während sein Gatte sich mit dem Doktor unterhielt und die Kinder die Babys begutachteten, ging Pascal frische Luft schnappen. Er nutzte die ruhigen Minuten um Sirius auf dem Laufenden zu halten, worum sein Ältester gebeten hatte, seit sein geliebter Opa verschwunden war.
Er erzählte ihm alle Details über die Zeitreise, die Niels und Justin unternommen hatten und natürlich auch das mit der Ankunft der Zwillingsmädchen Lisa und Theresa niemand mehr daran dachte, dass nicht viel bei dem riskanten Unternehmen herausgekommen war.




Doch so aufregend die neuen Familienmitglieder auch waren, Sirius verlor nicht das Wesentliche aus den Augen.
„Und sie haben wirklich nichts gefunden? Gar nichts? Onkel Friedbert muss doch irgendwo was gespeichert haben. Selbst ein Superhirn wie er braucht einen Kalender. Ich jedenfalls wüsste nicht wie ich ohne mein Smartphone noch meine Vorlesungen finden würde und mein Gedächtnis ist bestimmt nicht schlecht.“
Pascal musste lachen. Sirius war in der Tat alles andere als vergesslich und dumm, doch das änderte nichts am Ergebnis der Zeitreise. Er seufzte.
„Nur diesen Ort, Kaiserbuckel. Vielleicht war damit auch nicht dieser Weinberg in Simgermania gemeint, aber ich hatte bisher keine Gelegenheit zum recherchieren.“ Pascal machte eine kurze Pause, dann seufzte er wieder. „Ich habe später noch genug Zeit mir Gedanken um Friedberts Urlaubsorte zu machen. Jetzt muss ich mich erst mal um die Jungs kümmern.“




Vater und Sohn verabschiedeten sich mit dem Versprechen bald wieder zu telefonieren. Kaum war das Gespräch beendet, verfiel Sirius in dumpfes Brüten, obwohl seine Freunde auf ihn warteten.
Aber die Gedanken an seinen Großvater ließen ihm keine Ruhe.
Immer wieder ging ihm der mysteriöse Ort durch den Kopf. Irgendetwas sagte ihm das sein Vater mit seiner Vermutung falsch lag, wenn er an einen Urlaubsort dachte.
Sirius begann mit dem Wort zu spielen. Er zerpflückte es, baute es neu zusammen, versuchte es zuzuordnen. Und plötzlich war ihm alles klar.




Er ging vor das Studentenwohnheim, wo seine Freunde es sich an diesem heißen Spätnachmittag bereits im Schatten der Palmen gemütlich gemacht hatten. Seine Freundin Josi bedachte ihn mit einem „endlich-tauchst-du-auf“ Blick, doch sagte kein Wort. Titus lag wie gewöhnlich in den Armen irgendwelcher Campusschönheiten und ließ es sich gut gehen.
Ohne Rücksicht auf Titus Liebesleben trat Sirius ihn an den Fuß, um seinen Freund auf sich aufmerksam zu machen.
„Tits, steh auf. Wir müssen sofort weg.“
Der Angesprochene hob missmutig den Kopf.
„Du sollst mich nicht so nennen!“
Sirius grinste. „Warum, es passt doch. Umgeben von Titten.“
Titus grummelte weil die Mädchen kicherten, dann gab er auf.
„Okay, okay! Was willst Du!“
„Ich weiß wo mein Großvater ist. Bring mich hin.“




Die Geschwister sprangen auf, doch Titus wollte sich nicht den Abend vermiesen lassen.
„Verdammt, Sirius! Siehst Du nicht, ich lass hier ne Party steigen. Ich hab ne Menge Geld für Bier und guten Stoff ausgegeben, die Mädels sind da, also warum rufst du nicht einfach die Polizei an!“
„Titus!“ warf Josephine dazwischen. „Was ist wichtiger, Dein Freund oder diese Pleasentview-Miezen?!“
„Du sollst sie nicht so nennen!“ giftete ihr Bruder zurück. „Sag Du lieber Deinem Freund, das er mir nicht immer die Tour vermasseln soll!“
Sirius zuckte gleichmütig die Schultern und machte sich auf den Weg zum Parkplatz. In seiner Hand klimperte ein Autoschlüssel.
„Da Du heute Abend beschäftigt bist, wird es Dir sicher nichts ausmachen, wenn ich mir Deine Karre leihe.“




Titus erkannte das Klimpern. Wütend fuhr er seine Schwester an.
„Du hast ihm verraten wo meine Schlüssel sind? Bist Du verrückt? Dad bringt mich um, wenn nur ein Kratzer ans Auto kommt und ich weiß wie Sirius fährt!“
Blitzschnell waren Bier und Mädels vergessen und Titus stürzte seinem Freund hinterher.
„Du hast doch noch nie nen Sportwagen gefahren! Du fliegst doch gleich aus der ersten Kurve!“
„Wenn Du mich nicht fährst, dann versuch ichs eben selbst.“




Seufzend nahm Titus Sirius den Schlüssel ab und öffnete die Fahrertür.
„Los, steigt schon ein, ehe ichs mir anders überlege.“
Sirius grinste. Er hatte schon immer gewusst welche Knöpfe er bei seinem Freund drücken musste um an sein Ziel zu kommen.
Er quetschte sich mit Josi auf den Beifahrersitz und verfiel wieder ins Grübeln, während Titus den gelben Flitzer souverän über den Campus und raus in die Wüste lenkte.




„Okay Meister, wo solls nun hingehen?“ unterbrach dieser das Schweigen.
Sirius erzählte den Geschwistern was er von seinem Vater erfahren hatte.
„Dad meinte es wäre irgendwo in Simeropa, doch ich glaube, es ist nur zwei Stunden von hier, zwischen Strangetown und Sim Angelos!“
„Es gibt keine Erhebung mit solch einem Namen in diesem Gebiet“ meinte Josi zweifelnd.
„Richtig“ stimmte Sirius zu. „Weil es kein Berg, sondern der Name einer Person ist. Es ist ein Anagramm.“




Die beiden starrten ihn an.
„Kaiserbuckel kann man umstellen zu Klaus Becker“ verkündete Sirius aufgeregt. Der hat sein Privatlabor angeblich mitten in der Wüste, in einer Art Burg, die er von seinem Großonkel geerbt haben soll. Der alte Knabe war mindestens so verrückt wie Friedbert.“
„Und wo ist das „i“ hin verschwunden?“ murrte Titus, sich wieder auf die schnurgerade Straße konzentrierend.
Josi kicherte. „Ich habe von ihm gehört. Angeblich nannte seine verstorbene Frau ihn Klausi.“
„Mag sein das Du Recht hast, Kurios“ murrte Titus weiter, „aber wenn das sich hier als falsch raus stellt, hab ich dich das letzte Mal durch die Gegend kutschiert und Du schuldest mir ne Tankfüllung!“




Es war schon dunkel als sie endlich an ihrem Ziel angekommen waren. Friedberts dunkelblauer Van verriet ihnen das Sirius tatsächlich Recht hatte, doch das war schnell unwichtig.
Das Anwesen stand lichterloh in Flammen.
Titus stieg in die Bremsen und die jungen Leute sprangen aus dem Wagen.
„Heilige Simgöttin“ entfuhr es Titus leise, kaum hörbar gegen das Tosen der Flammen.
„Wer auch immer dort drin ist, hat keine Chance mehr.“




Titus riss sein Handy aus der Hose und betete dass er hier Empfang hatte um die Feuerwehr zu rufen. Sirius indessen stürzte zum Gebäude, in der Hoffnung irgendwo noch eine freie Passage in das brennende Gebäude zu finden. Josi folgte ihm.
„Sirius, nicht! Bring Dich nicht selbst in Gefahr, bitte!“ flehte sie, fürchtete sie doch ihr Freund könnte in die Flammen laufen.
Die Angst war nicht unbegründet. Sirius versuchte, verzweifelt nach seinem Großvater rufend, in das Haus einzudringen. Doch die Flammen ließen ihm keine Chance.




Josephine brachte Sirius zurück zu ihrem Bruder, einen sicheren Abstand zu dem Inferno suchend. Die drei mussten hilflos beobachten, wie die Flammen ihr Werk taten.
Der junge Mann in ihren Armen zitterte am ganzen Körper. Kein Wort des Trostes konnte ihm den Schmerz nehmen, den er empfinden musste. Josi hoffte nur, dass sie mit der Zeit ihrem Freund helfen konnte, über seinen Verlust hinweg zu kommen.




Sie wussten nicht wie lange sie dort standen, bis Feuerwehr und Polizei aus Strangetown und der Downtown eintrafen. Die Feuerwehr überblickte die Lage schnell und der Brandmeister erklärte das sie nicht viel tun konnten.
„Ich kann meine Männer nicht dort rein schicken. Das Gebäude brennt in voller Ausdehnung, es ist zu gefährlich jetzt nach Opfern zu suchen. Und da es hier keine Wasserreserven gibt, müssen wir es einfach brennen lassen, bis es von alleine ausgeht.“
Sirius jammert auf, die Simgötter und sich selbst verfluchend. Wenn er doch nur schneller gewesen wäre!




Und so blieb ihnen allen nur zu warten, bis es der Feuerwehr möglich war die Brandruine zu untersuchen. Sie beobachteten den Tanz der Flammen, bis Sirius es nicht mehr aushielt und sich abwendete. Seine Schritte lenkten ihn von dem Unglücksort weg, bis er zur Straße hinunter starren konnte. Er würde später dieser Straße folgen und nach Strangetown fahren um es der Familie zu sagen. Aber er wusste nicht ob er die Kraft dazu haben würde.




Plötzlich riss ihn ein aufgeregter Ruf aus der ohnmächtigen Starre. Josi winkte ihm von einer abgelegenen Stelle, abseits von tödlicher Hitze und Flammen.
„Sirius, komm schnell, hier drüben!“
Missmutig das man ihn bei seiner Trauer störte, folgte er ihrem immer aufgeregteren Winken. Doch bald wurden seine Schritte schneller.




Die Feuerwehrmänner hatten das Gelände abgesucht und waren offenbar fündig geworden.
Fassungslos ging Sirius auf die Knie. Er erkannte die Gestalt am Boden, die er noch vor Sekunden ein Opfer der Flammen wähnte. Und doch war das nicht der Mann, den er in Erinnerung hatte.
Sein Blick glitt über den reglosen, ausgemergelten Körper. Auch wenn sein Großvater nicht in dem Gebäude umgekommen war, so mussten die Monate, in denen er vermisst wurde, ihn zumindest an den Rand des Unvermeidlichen gebracht haben.




Während Sirius nach Terrys Puls tastete, untersuchte Officer Rivendell den anderen Mann, der wie aufgebahrt daneben lag. Sie berührte seine Hand, doch zog ihre schnell wieder zurück.
„Dieser hier ist schon seit Stunden tot, er ist kalt und steif wie ein Brett“ erklärte sie.
„Dann hat der andere ihn wohl raus getragen“ erwiderte einer der Feuerwehrmänner.
Officer Rivendell warf Terry einen kurzen Blick zu und schüttelte den Kopf.
„So wie der aussieht?“ Sie musterte wieder den Körper vor ihr.
„Warum sollte jemand eine Leiche retten, wenn seine eigene Haut in Gefahr ist?“




Sirius bekam von dem Gespräch nicht viel mit. Erleichtert konnte er einen Puls fühlen, schwach zwar, aber regelmäßig. Er zog Terrys Kopf auf seinen Schoss und strich ihm sanft über das schmutzige Haar. Josi und Titus saßen stumm bei ihm und wachten mit ihm über den verletzten Mann. Sirius war dankbar das seine Freunde bei ihm waren und es machte ihm nichts aus, dass Tränen der Erleichterung unaufhaltsam über seine Wangen liefen.




Plötzlich flackerten Terrys Lider und ein verständnisloser Blick streifte das tränennasse, grüne Gesicht, das auf ihn nieder sah. Doch nur einen Moment später trat das Erkennen in die braunen Augen.
„Nicht weinen, mein Kleiner.“
Sirius schniefte nun erst recht.
„Mann, Opa Terry. Du hast mir echt einen Riesenschrecken eingejagt.“
Ein Lächeln huschte über Terrys Gesicht, doch die Brandblasen und Abschürfungen auf seiner Haut ließen ihn schnell damit aufhören.
„Ich habe solchen Durst.“
Sanft streichelte Sirius über Terrys Brust, als wolle er ihm mit dieser Geste alle Unpässlichkeiten nehmen.
„Der Krankenwagen kommt gleich. Halte nur noch ein wenig durch.“




Der junge Mann legte seinen Großvater vorsichtig ab um es ihm bequemer zu machen, so lange sie auf den Krankenwagen warten mussten. Er ließ ihn nicht aus den Augen, falls Terry wieder ohnmächtig werden sollte. Doch den hielt sein schmerzender Kopf davon ab und eine Frage, die ihn quälte.
„Friederike?“
Hilflos wechselte Sirius einen Blick mit den Polizistinnen. Officer Skadi Ase schüttelte den Kopf.
Sirius wusste nicht was er sagen sollte, niemand außer den beiden Männern wurde hier draußen gefunden. Was das bedeutete wollte er Terry lieber nicht erklären.




Beruhigt das der eine am Leben war, widmeten sich die Polizistinnen dem anderen, der wohl nicht soviel Glück hatte.
Officer Skadi Ase durchsuchte die Taschen der Leiche und fand Autoschlüssel und Papiere.
„Ein Klaus Becker“ las sie laut vor.
„Der Wissenschaftler?“ unterbrach ihre Kollegin Rivendell sie und Skadi nickte.
„Eben der.“
Officer Rivendell schnaubte. „Der war als komischer Kerl verschrien. Ob sein Labor in die Luft geflogen ist?“
Skadi musterte den Toten mit einem gewissen Bedauern.
„Dann würde er nicht hier, sondern da drin liegen.“
Ihre Kollegin zuckte die Schultern und erhob sich, weil der Krankenwagen ankam.
„Die Gerichtsmediziner sollen sich um ihn kümmern.“




Endlich kamen die Sanitäter um Terry zu versorgen. Sirius wich nicht von seiner Seite, er wollte seinen Großvater nach Strangetown begleiten, bis er sicher sein konnte dass der Mann sich wieder erholen würde.
Titus informierte seinen Vater das sie in Strangetown übernachten würden und warum. Patrick war froh zu hören das Terry am Leben war und versprach die Familien Kurios und Larson anzurufen.




Routiniert versorgten die Männer des Rettungsdienstes den Mann auf der Trage. Sirius trat zurück, als der Wagen wenig später wendete und sich auf den Weg in die kleine Wüstenstadt machte.
Gemeinsam mit seinen Freunden sah er dem Krankenwagen nach, bis das Gefährt außer Sicht war.




„Danke fürs fahren, Tits“ murmelte Sirius leise. „Ich schulde Dir zwei Tankfüllungen.“
„Vergisses“ gab Titus zurück. „Für was hat man Freunde.“
Sirius nickte und stieg in den gelben Sportwagen. Er wollte so schnell wie möglich nach Strangetown, um bei der Familie zu sein, wenn Terry endlich wieder nach Hause zurückkehrte.


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Teil 44 - Wiedersehen