Montag, 24. März 2014

Teil 44 - Wiedersehen

Vorher: Teil 43 - MarganA

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Doktor Einsam war nicht undankbar, als ein Klopfen an der Tür ihn vom Autopsiebericht, den er gerade gelesen hatte, ablenkte. Allerdings hätte er sich eine angenehmere Gesellschaft als die beiden Polizistinnen von Strangetown gewünscht.
„Officers“ begrüßte er die beiden Beamtinnen. „Nichts los auf der Straße?“




Rivendell setzte sich ungefragt und Skadi Ase machte es ihrer Kollegin einfach nach.
„In solch einem Kaff wie diesem? Komm schon Arthur, Du musst Dir Deine Patienten schon woanders besorgen.“
„Mir reichen die, die ich bereits habe“ seufzte der Doktor. „Und der Bericht, den ich gerade gelesen habe.“
„Ja, ist nicht schön“ gab Rivendell zurück. „Ist nicht viel von ihm übriggeblieben.“
„Außer den Zähnen und seine Millionen“ grinste Skadi, was ihr einen strafenden Seitenblick von Rivendell einbrachte.




Arthur hob die Hände.
„Moment, Mädels. Ihr wollt doch nicht andeuten das Terry Kurios seinen Ehemann umgebracht hat... Nein, niemals.“
„Warum nicht? Immerhin kommt ihm der Witwenstand ganz gelegen, nicht?“ lauerte Rivendell und Arthur schüttelte entschlossen den Kopf.
„Terry ist dazu überhaupt nicht in der Lage. Ihr habt ihn doch selbst gesehen. Den muss ich erst mal wieder auf die Beine bringen.“
Rivendell nickte. „Schon gut. Ich hab ja Augen im Kopf. Und trotzdem fragen wir uns, wer es schafft einem Mann sämtliche Knochen im Leib zu brechen.“
Der Mediziner zuckte die Schultern.
„Das frage ich mich auch, aber das ist Euer Job. Leider ist der, der Terrys Unschuld beweisen könnte tot und das Kind verschwunden. Noch so ein Rätsel, das Ihr vornehmlich lösen solltet und nicht dem armen Mann noch mehr Kummer aufbürden. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss mich hier um andere Dinge kümmern, auch wenn ich Eure Gesellschaft wirklich genieße.“




Skadi grinste und erhob sich. Rivendell folgte ihrem Beispiel.
„Wir gehen ja schon. Noch frohes Schaffen, Doc. Und Gruß an Deine Frau.“
Arthur stöhnte, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. Das fehlte noch das man Terry nach alldem, was er durchgemacht hatte, die Schuld an Friedberts Tod gab. Er öffnete ein anderes Programm und tippte eifrig auf den Tasten herum. Sein Untersuchungsbericht würde hoffentlich jeglichen Verdacht eliminieren.


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Ich stöhnte, als ich mich aus einem wirren Traum aus Rauch, Feuer und Pein nach oben kämpfte.
Doch immer noch schlug mir die Hitze des Infernos ins Gesicht und die Flammen strichen über meine Stirn.
Im Halbschlaf versuchte ich sie wegzustreichen. Müßig,was konnte ich schon mit meinen blanken Händen gegen Flammen ausrichten...
„Shhh, ist gut Liebling, alles ist gut. Du bist in Sicherheit.“
Irritiert schlug ich die Augen auf. Doch da war keine Hitze die mich zu versengen drohte und keine Flammen die meine Haut zerstörten. Da war nur das Licht der Sonne, zwei verweinte braune Augen und Finger, die mich sanft streichelten.
„Lara?!“




Schluchzend drückte sie ihr Gesicht an meine Schulter und hielt mich umklammert.
„Terry! Oh gütige Simgöttin, endlich bist Du wach!“
Unfähig etwas zu erwidern hielt ich mich an ihrem Arm fest und ließ sie weinen. In ihrem Schluchzen lag soviel Schmerz und Erleichterung, das es mir fast das Herz aus dem Leibe riss.
Erinnerungen an die letzten Monate überfielen mich, an Enge, Hunger und Angst, an Feuer und an das Schlimmste überhaupt, an die Hoffnungslosigkeit, die auch sie gefühlt haben musste.
„Lara“ krächzte ich, immer noch den Rauch in der Kehle spürend. „Maus, es ist alles gut.“




Sie sah mir in die Augen und nickte.
„Ja, jetzt ist alles gut, alles gut.“
Sie küsste mich vorsichtig auf meine zersprungenen Lippen und ich glaubte, es war der beste und schönste Kuss, den ich je bekommen hatte.
Ich schickte ein Dankesgebet zur Simgöttin. Ich war am Leben und ich war bei der Frau, die ich liebte.




Doch trotz all der Freude spürte ich schnell was die vergangenen Monate von mir gefordert hatten. Meine Kehle fühlte sich rau und mein Magen leer an.
„Ich habe Hunger“ wisperte ich und Lara sprang sofort auf.
„Ich kümmere mich darum. Ruh Dich aus, ich sage nur schnell Doktor Einsam Bescheid.“
Mir war alles Recht. Ich schloss meine Augen um sie gegen die Helligkeit zu schützen. Irgendwie fühlte sich mein ganzer Körper trocken und durstig an.




Lara saß wenig später beim Doktor, während ich von Schwester Freyja versorgt wurde.
„Wir dürfen ihm nicht gleich zu viel zumuten, Lara.“
„Aber er soll doch wissen das er Vater geworden ist“ protestierte sie leise. „Ich kann ihm das doch nicht einfach vorenthalten.“
„Natürlich nicht, aber er soll sich erst mal erholen.“
„Das wird er auch“ erwiderte Lara energisch. „Terry liebt Kinder. Und er braucht etwas, das ihn ablenkt, von all dem, was passiert ist...“ Ihre Stimme wurde leiser. „...und dem, was er noch nicht weiß.“
Arthur Einsam seufzte. „Bringen Sie es ihm um Himmels Willen schonend bei.“




Nach einer warmen Mahlzeit und einem Mittagsschläfchen bekam ich Besuch von den beiden. Der gute Doktor musterte mich und lächelte leicht.
„Sie sehen ja langsam besser aus, Terry. Kein Wunder nach dem langen Schönheitsschlaf.“
Ich richtete mich langsam auf.
„Schönheitsschlaf? Ich komme mir eher wie Dornröschen vor.“
Wach geküsst worden war ich ja fast.




„Kommt hin“ meinte der Mediziner. „Lange genug geschlafen haben Sie schließlich. Und das war auch gut so. Aber nun brauchen Sie ein wenig Bewegung und Kreislauf und Muskeln müssen wieder etwas zu tun bekommen. Sonst handeln Sie sich noch ganz andere Probleme ein als ein paar Brandblasen. Und morgen machen wir noch ein paar Untersuchungen.“
„Moment“ warf ich ein, kaum das der Doktor geendet hatte. „Heißt das, ich darf nicht nach Hause?“




Arthur Einsam schüttelte den Kopf, während sich Laras Hand auf meine Schulter schob. Instinktiv griff ich danach.
„Ich will sie beide noch unter Beobachtung haben. Gönnen Sie sich einfach die Zeit um sich zu erholen.“
Der Arzt verließ das Zimmer und Lara bot mir an meinen Trainingsanzug aus dem Schrank zu holen.
Ich saß benommen auf dem Bett. Ich wollte einfach nur nach Hause, zu meiner Familie und alles vergessen.




Lara ließ mich dann alleine, damit ich mich frisch machen konnte. Wie schon so oft in den vergangenen Wochen starrte ich mein Spiegelbild an. Himmel, ich sah wirklich schlimm aus. Ein abgerissener Straßenköter war eine Schönheit gegen mich. Und wo kamen nur all die Falten her? Ich konnte es nicht mehr abstreiten, ich wurde alt. Da machte es gar nichts, das man mir die Piercings wegen der Wunden herausgenommen hatte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit sie abzulegen.
Die trüben Gedanken abschüttelnd griff ich zu Schere und Waschzeug und versuchte mich in einen respektablen Zustand zu bringen. 




Ich wurde nur wenig später von Lara abgeholt und sie führte mich nicht nach draußen auf einen Spaziergang, sonder auf die andere Seite des Gebäudes. Plötzlich fiel mir auf das auch sie im Trainingsanzug war und das, obwohl sie früher nie so aus dem Haus gegangen wäre. Das Gespräch mit Doktor Einsam kam mir in den Sinn.
Ich will sie beide noch unter Beobachtung haben.
Ich stoppte. „Lara, was stimmt hier nicht?“
Sie blieb ebenfalls stehen und musterte mich, dann begriff sie.
„Bitte Terry. Ich... erkläre Dir alles gleich.“




 
Sie führte mich durch eine Tür, die mir irgendwie bekannt vorkam, doch ehe ich mir darüber Gedanken machen konnte, fiel mir mein Bruder in die Arme.
Mir war nicht bewusst wie sehr Rick mir gefehlt hatte. Wo waren nur die Jahre geblieben, nach seinem Besuch? Es war lange, viel zu lange her.




Langsam lösten wir uns voneinander und musterten uns.
„Du siehst scheiße aus, großer Bruder“ konstatierte Rick auf seine unnachahmliche Art.
„Und Du dafür unverschämt gut“ gab ich zurück. „Hast endlich was auf den Rippen und gesunde Farbe im Gesicht.“
Wir wurden beide wieder ernst.
„Tut gut Dich zu sehen, Terry. Wirklich gut.“
Ich wusste was er meinte und was er fühlte. Und auch ich fühlte wieder diese Verbundenheit mit meinem kleinen Bruder, die trotz großer Entfernung nie vergehen würde.




Ein Geräusch riss mich aus diesem besonderen Moment, eines das ich schon lange nicht mehr gehört hatte und mir doch so vertraut war. Und plötzlich erkannte ich auch den Raum.
Ich glaubte mein Herz blieb für eine Sekunde stehen. Lara beugte sich über das winzige Wesen und streichelte es sanft über das Köpfchen.
„Was ist denn das?“ entfuhr es mir.
„Du meine Güte, Terry!“ rief Rick kopfschüttelnd. „Hast Du in den paar Monaten vergessen wie ein Baby aussieht? Das ist Deine Tochter!“




„Und hier ist die Zweite.“
Lara deutete in die andere Ecke und mir schwindelte, so dass ich mich einfach aufs Bett fallen ließ.
Zwei Töchter.
Ich starrte das kleine Wesen in dem Bettchen an und fühlte Laras Hand auf meiner Schulter. Weder sie noch Rick sagten etwas und überließen mich meinen Gedanken.
Zwei Babys.
Mir war sofort klar, dass es meine Kinder waren. Ich konnte es fühlen und Lara war keine Frau, die jemandem Kuckuckskinder andrehte.
Es war auch nicht schwer nachzurechnen wann sie entstanden sein mussten, immerhin waren wir nicht gerade zurückhaltend gewesen...




Aber Himmel, auch wenn ich Kinder liebte, wir waren nicht mehr die Jüngsten. Ich hätte niemals noch weitere Kinder geplant und mir ging auf, wie verantwortungslos wir waren. Und wie furchtbar die Zeit der Ungewissheit für Lara gewesen sein musste, während ich nichtsahnend eingesperrt war und über mein ach so schlimmes Schicksal haderte.
Was würde nun werden? Würden wir die beiden denn zu glücklichen Sims aufziehen können, würden wir denn die Zeit und den Frieden dafür haben?
Ich zuckte zusammen.
Friedbert.“
„Was?“
Ich hatte nicht gemerkt das ich den Namen laut ausgesprochen hatte.
„Er darf nicht herausfinden, das es die beiden gibt.“




Lara wechselte einen Blick mit Rick, der irgendwie angespannt wirkte. Ich beobachtete verwundert wie Lara vor mir auf die Knie ging und meine Hände nahm.
„Terry...“ Sie schien nach Worten zu suchen. „Terry, er... er ist tot. Man hat ihn gefunden... nach dem Brand.“
Ich starrte sie an. Unsicher nahm sie ihre Hände von den meinen und musterte mich eindringlich.
„Terry, verstehst Du mich?“
„Friederike?“ fragte ich tonlos.
Die beiden hatten keine Antwort.




Ein Zittern lief durch meinen Körper und ich sprang auf. Alles schien auf mich einzustürzen und ich brach in Tränen aus.
Du bist frei“ hämmerte es durch meinen Kopf, „Frei, frei.“
Kein Friedbert mehr, keine Kälte, keine Gefangenschaft, keine Lieblosigkeit. Doch da war keine Freude, weder in meinem Kopf, noch in meinem Herzen. Dort war nur Chaos. Denn auch wenn ich fühlte das ich mich über meine neugeborenen Töchter freute, den Verlust der Ersten konnte es nicht wettmachen.
Lara und Rick taten ihr Bestes mich zu beruhigen, doch ihre Worte drangen nicht zu mir durch. Ich war mit den Nerven völlig am Ende.




Als auch noch die Babys anfingen zu weinen, nahm Rick mich am Arm und brachte mich zur Tür.
„Du solltest Dich ausruhen, Terry. Das war einfach zu viel, tut mir leid.“
Ich hörte seine Stimme kaum durch mein Schluchzen. Willenlos ließ ich mich von ihm aus dem Zimmer ziehen, während Lara sich um unsere Kinder kümmerte.




Er steckte mich in mein Bett und deckte mich zu, gerade so wie ich ihn immer ins Bett gebracht hatte, damals, als wir noch Kinder waren.
„Schlaf, großer Bruder. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus.“


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Teil 45 - Was lange währt



































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