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Doktor Einsam war nicht undankbar, als
ein Klopfen an der Tür ihn vom Autopsiebericht, den er gerade
gelesen hatte, ablenkte. Allerdings hätte er sich eine angenehmere
Gesellschaft als die beiden Polizistinnen von Strangetown gewünscht.
„Officers“ begrüßte er die beiden
Beamtinnen. „Nichts los auf der Straße?“
Rivendell setzte sich ungefragt und
Skadi Ase machte es ihrer Kollegin einfach nach.
„In solch einem Kaff wie diesem? Komm
schon Arthur, Du musst Dir Deine Patienten schon woanders besorgen.“
„Mir reichen die, die ich bereits
habe“ seufzte der Doktor. „Und der Bericht, den ich gerade
gelesen habe.“
„Ja, ist nicht schön“ gab
Rivendell zurück. „Ist nicht viel von ihm übriggeblieben.“
„Außer den Zähnen und seine
Millionen“ grinste Skadi, was ihr einen strafenden Seitenblick von
Rivendell einbrachte.
Arthur hob die Hände.
„Moment, Mädels. Ihr wollt doch
nicht andeuten das Terry Kurios seinen Ehemann umgebracht hat...
Nein, niemals.“
„Warum nicht? Immerhin kommt ihm der
Witwenstand ganz gelegen, nicht?“ lauerte Rivendell und Arthur
schüttelte entschlossen den Kopf.
„Terry ist dazu überhaupt nicht in
der Lage. Ihr habt ihn doch selbst gesehen. Den muss ich erst mal
wieder auf die Beine bringen.“
Rivendell nickte. „Schon gut. Ich hab
ja Augen im Kopf. Und trotzdem fragen wir uns, wer es schafft einem
Mann sämtliche Knochen im Leib zu brechen.“
Der Mediziner zuckte die Schultern.
„Das frage ich mich auch, aber das
ist Euer Job. Leider ist der, der Terrys Unschuld beweisen könnte
tot und das Kind verschwunden. Noch so ein Rätsel, das Ihr
vornehmlich lösen solltet und nicht dem armen Mann noch mehr Kummer
aufbürden. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss mich hier um
andere Dinge kümmern, auch wenn ich Eure Gesellschaft wirklich
genieße.“
Skadi grinste und erhob sich. Rivendell
folgte ihrem Beispiel.
„Wir gehen ja schon. Noch frohes
Schaffen, Doc. Und Gruß an Deine Frau.“
Arthur stöhnte, nachdem die Tür ins
Schloss gefallen war. Das fehlte noch das man Terry nach alldem, was
er durchgemacht hatte, die Schuld an Friedberts Tod gab. Er öffnete
ein anderes Programm und tippte eifrig auf den Tasten herum. Sein
Untersuchungsbericht würde hoffentlich jeglichen Verdacht
eliminieren.
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Ich stöhnte, als ich mich aus einem
wirren Traum aus Rauch, Feuer und Pein nach oben kämpfte.
Doch immer noch schlug mir die Hitze
des Infernos ins Gesicht und die Flammen strichen über meine Stirn.
Im Halbschlaf versuchte ich sie
wegzustreichen. Müßig,was konnte ich schon mit meinen blanken
Händen gegen Flammen ausrichten...
„Shhh, ist gut Liebling, alles ist
gut. Du bist in Sicherheit.“
Irritiert schlug ich die Augen auf.
Doch da war keine Hitze die mich zu versengen drohte und keine
Flammen die meine Haut zerstörten. Da war nur das Licht der Sonne,
zwei verweinte braune Augen und Finger, die mich sanft streichelten.
„Lara?!“
Schluchzend drückte sie ihr Gesicht an
meine Schulter und hielt mich umklammert.
„Terry! Oh gütige Simgöttin,
endlich bist Du wach!“
Unfähig etwas zu erwidern hielt ich
mich an ihrem Arm fest und ließ sie weinen. In ihrem Schluchzen lag
soviel Schmerz und Erleichterung, das es mir fast das Herz aus dem
Leibe riss.
Erinnerungen an die letzten Monate
überfielen mich, an Enge, Hunger und Angst, an Feuer und an das
Schlimmste überhaupt, an die Hoffnungslosigkeit, die auch sie
gefühlt haben musste.
„Lara“ krächzte ich, immer noch
den Rauch in der Kehle spürend. „Maus, es ist alles gut.“
Sie sah mir in die Augen und nickte.
„Ja, jetzt ist alles gut, alles gut.“
Sie küsste mich vorsichtig auf meine
zersprungenen Lippen und ich glaubte, es war der beste und schönste
Kuss, den ich je bekommen hatte.
Ich schickte ein Dankesgebet zur
Simgöttin. Ich war am Leben und ich war bei der Frau, die ich liebte.
Doch trotz all der Freude spürte ich
schnell was die vergangenen Monate von mir gefordert hatten. Meine
Kehle fühlte sich rau und mein Magen leer an.
„Ich habe Hunger“ wisperte ich und
Lara sprang sofort auf.
„Ich kümmere mich darum. Ruh Dich
aus, ich sage nur schnell Doktor Einsam Bescheid.“
Mir war alles Recht. Ich schloss meine
Augen um sie gegen die Helligkeit zu schützen. Irgendwie fühlte
sich mein ganzer Körper trocken und durstig an.
Lara saß wenig später beim Doktor,
während ich von Schwester Freyja versorgt wurde.
„Wir dürfen ihm nicht gleich zu viel
zumuten, Lara.“
„Aber er soll doch wissen das er
Vater geworden ist“ protestierte sie leise. „Ich kann ihm das
doch nicht einfach vorenthalten.“
„Natürlich nicht, aber er soll sich
erst mal erholen.“
„Das wird er auch“ erwiderte Lara
energisch. „Terry liebt Kinder. Und er braucht etwas, das ihn
ablenkt, von all dem, was passiert ist...“ Ihre Stimme wurde
leiser. „...und dem, was er noch nicht weiß.“
Arthur Einsam seufzte. „Bringen Sie
es ihm um Himmels Willen schonend bei.“
Nach einer warmen Mahlzeit und einem
Mittagsschläfchen bekam ich Besuch von den beiden. Der gute Doktor
musterte mich und lächelte leicht.
„Sie sehen ja langsam besser aus,
Terry. Kein Wunder nach dem langen Schönheitsschlaf.“
Ich richtete mich langsam auf.
„Schönheitsschlaf? Ich komme mir
eher wie Dornröschen vor.“
Wach geküsst worden war ich ja fast.
„Kommt hin“ meinte der Mediziner.
„Lange genug geschlafen haben Sie schließlich. Und das war auch
gut so. Aber nun brauchen Sie ein wenig Bewegung und Kreislauf und
Muskeln müssen wieder etwas zu tun bekommen. Sonst handeln Sie sich
noch ganz andere Probleme ein als ein paar Brandblasen. Und morgen
machen wir noch ein paar Untersuchungen.“
„Moment“ warf ich ein, kaum das der
Doktor geendet hatte. „Heißt das, ich darf nicht nach Hause?“
Arthur Einsam schüttelte den Kopf,
während sich Laras Hand auf meine Schulter schob. Instinktiv griff
ich danach.
„Ich will sie beide noch unter
Beobachtung haben. Gönnen Sie sich einfach die Zeit um sich zu
erholen.“
Der Arzt verließ das Zimmer und Lara
bot mir an meinen Trainingsanzug aus dem Schrank zu holen.
Ich saß benommen auf dem Bett. Ich
wollte einfach nur nach Hause, zu meiner Familie und alles
vergessen.
Lara ließ mich dann alleine, damit ich
mich frisch machen konnte. Wie schon so oft in den vergangenen Wochen
starrte ich mein Spiegelbild an. Himmel, ich sah wirklich schlimm
aus. Ein abgerissener Straßenköter war eine Schönheit gegen mich.
Und wo kamen nur all die Falten her? Ich konnte es nicht mehr
abstreiten, ich wurde alt. Da machte es gar nichts, das man mir die
Piercings wegen der Wunden herausgenommen hatte. Vielleicht war es
wirklich an der Zeit sie abzulegen.
Die trüben Gedanken abschüttelnd
griff ich zu Schere und Waschzeug und versuchte mich in einen
respektablen Zustand zu bringen.
Ich wurde nur wenig später von Lara
abgeholt und sie führte mich nicht nach draußen auf einen
Spaziergang, sonder auf die andere Seite des Gebäudes. Plötzlich
fiel mir auf das auch sie im Trainingsanzug war und das, obwohl sie
früher nie so aus dem Haus gegangen wäre. Das Gespräch mit Doktor
Einsam kam mir in den Sinn.
Ich will sie beide noch unter
Beobachtung haben.
Ich stoppte. „Lara, was stimmt hier
nicht?“
Sie blieb ebenfalls stehen und musterte
mich, dann begriff sie.
„Bitte Terry. Ich... erkläre Dir
alles gleich.“
Sie führte mich durch eine Tür, die
mir irgendwie bekannt vorkam, doch ehe ich mir darüber Gedanken
machen konnte, fiel mir mein Bruder in die Arme.
Mir war nicht bewusst wie sehr Rick mir
gefehlt hatte. Wo waren nur die Jahre geblieben, nach seinem Besuch?
Es war lange, viel zu lange her.
Langsam lösten wir uns voneinander und
musterten uns.
„Du siehst scheiße aus, großer
Bruder“ konstatierte Rick auf seine unnachahmliche Art.
„Und Du dafür unverschämt gut“
gab ich zurück. „Hast endlich was auf den Rippen und gesunde Farbe
im Gesicht.“
Wir wurden beide wieder ernst.
„Tut gut Dich zu sehen, Terry.
Wirklich gut.“
Ich wusste was er meinte und was er
fühlte. Und auch ich fühlte wieder diese Verbundenheit mit meinem
kleinen Bruder, die trotz großer Entfernung nie vergehen würde.
Ein Geräusch riss mich aus diesem
besonderen Moment, eines das ich schon lange nicht mehr gehört hatte
und mir doch so vertraut war. Und plötzlich erkannte ich auch den
Raum.
Ich glaubte mein Herz blieb für eine
Sekunde stehen. Lara beugte sich über das winzige Wesen und
streichelte es sanft über das Köpfchen.
„Was ist denn das?“ entfuhr es mir.
„Du meine Güte, Terry!“ rief Rick
kopfschüttelnd. „Hast Du in den paar Monaten vergessen wie ein
Baby aussieht? Das ist Deine Tochter!“
„Und hier ist die Zweite.“
Lara deutete in die andere Ecke und mir
schwindelte, so dass ich mich einfach aufs Bett fallen ließ.
Zwei Töchter.
Ich starrte das kleine Wesen in dem
Bettchen an und fühlte Laras Hand auf meiner Schulter. Weder sie
noch Rick sagten etwas und überließen mich meinen Gedanken.
Zwei Babys.
Mir war sofort klar, dass es meine
Kinder waren. Ich konnte es fühlen und Lara war keine Frau, die
jemandem Kuckuckskinder andrehte.
Es war auch nicht schwer nachzurechnen
wann sie entstanden sein mussten, immerhin waren wir nicht gerade
zurückhaltend gewesen...
Aber Himmel, auch wenn ich Kinder
liebte, wir waren nicht mehr die Jüngsten. Ich hätte niemals noch
weitere Kinder geplant und mir ging auf, wie verantwortungslos wir
waren. Und wie furchtbar die Zeit der Ungewissheit für Lara gewesen
sein musste, während ich nichtsahnend eingesperrt war und über mein
ach so schlimmes Schicksal haderte.
Was würde nun werden? Würden wir die
beiden denn zu glücklichen Sims aufziehen können, würden wir denn
die Zeit und den Frieden dafür haben?
Ich zuckte zusammen.
„Friedbert.“
„Was?“
Ich hatte nicht gemerkt das ich den
Namen laut ausgesprochen hatte.
„Er darf nicht herausfinden, das es
die beiden gibt.“
Lara wechselte einen Blick mit Rick,
der irgendwie angespannt wirkte. Ich beobachtete verwundert wie Lara
vor mir auf die Knie ging und meine Hände nahm.
„Terry...“ Sie schien nach Worten
zu suchen. „Terry, er... er ist tot. Man hat ihn gefunden... nach
dem Brand.“
Ich starrte sie an. Unsicher nahm sie
ihre Hände von den meinen und musterte mich eindringlich.
„Terry, verstehst Du mich?“
„Friederike?“ fragte ich tonlos.
Die beiden hatten keine Antwort.
Ein Zittern lief durch meinen Körper
und ich sprang auf. Alles schien auf mich einzustürzen und ich brach
in Tränen aus.
„Du
bist frei“ hämmerte es durch meinen Kopf, „Frei,
frei.“
Kein Friedbert mehr, keine Kälte,
keine Gefangenschaft, keine Lieblosigkeit. Doch da war keine Freude,
weder in meinem Kopf, noch in meinem Herzen. Dort war nur Chaos. Denn
auch wenn ich fühlte das ich mich über meine neugeborenen Töchter
freute, den Verlust der Ersten konnte es nicht wettmachen.
Lara und Rick taten ihr Bestes mich zu
beruhigen, doch ihre Worte drangen nicht zu mir durch. Ich war mit
den Nerven völlig am Ende.
Als auch noch die Babys anfingen zu
weinen, nahm Rick mich am Arm und brachte mich zur Tür.
„Du solltest Dich ausruhen, Terry.
Das war einfach zu viel, tut mir leid.“
Ich hörte seine Stimme kaum durch mein
Schluchzen. Willenlos ließ ich mich von ihm aus dem Zimmer ziehen,
während Lara sich um unsere Kinder kümmerte.
Er steckte mich in mein Bett und deckte
mich zu, gerade so wie ich ihn immer ins Bett gebracht hatte, damals,
als wir noch Kinder waren.
„Schlaf, großer Bruder. Morgen sieht
die Welt schon wieder anders aus.“
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