----
Dass die letzten Bilder keinen Text haben, ist Absicht, dass manche nicht zu passen scheinen auch.
----
Ich starrte an die Decke meiner
„Zelle“. Das war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen seit ich
hier eingesperrt war, neben dem Lesen von irgendwelchen Büchern die
man mir zuschob, Kreuzworträtseln in alten Zeitschriften und dem
Verschlingen meiner kargen Mahlzeit.
Und grübeln. An die Decke starren und
grübeln.
Irgendwann rollte ich mich vom Bett.
Ich richtete mechanisch meine inzwischen viel zu großen Kleider, der
Sweater schlackerte um meinen Körper wie ein alter Sack. Ich ging in
das kleine, angrenzende Bad und starrte in den Spiegel. Noch so eine
Routine in meinem Gefangenalltag: in den Spiegel starren und mich
wundern wer der Schatten dort war, der mir entgegen starrte.
Meine Haare waren inzwischen so lang,
dass die Locken sich aushingen, der Bart war grau und zauselig. Mit
meinen hohlen Wangen und Augen wirkte ich wie ein Zombie. Ich war mir
sicher, bekäme ich die Gelegenheit dazu, wäre ich aus Hunger und
Wut sogar bereit gewesen das kranke Hirn einer bestimmten Person zu
essen.
Das Geräusch der Tür ließ mich aus
meinen Gedanken schrecken. Ich ging zurück ins Zimmer, doch es war
schon niemand mehr da.
Irgendjemand hatte einen Stapel Wäsche
ins Zimmer geworfen. Ich hob ein paar der Stücke auf und setzte sie
ordentlich aufs Bett, doch schnell verlor ich die Lust daran und ließ
mich einfach daneben fallen um wieder zu grübeln.
Das war alles was mir blieb: grübeln,
grübeln und immer nur grübeln.
Meine Gedanken kreisten um meine
Familie, meine Kinder, deren Partner, meine Enkel. Sie kreisten um
Niels und Stellas Baby, ob es inzwischen das Licht der Welt erblickt
hatte und wie es aussah, ob alle gesund und munter waren, wie Niels
sich als Vater machte.
Sie glitten zu meinen Kollegen, zu
Justin und seiner Trauer um Blue, zu Patrick und seiner intakten
Familie.
Sie kreisten um Sirius, wie er sich auf
dem College schlug. Ob er viele Freundinnen hatte, ob er das
Studentenleben genoss und eine Party nach der anderen warf.
Sie beschäftigten sich mit Lars,
meinem Ältesten, der immer so große Stärke bewiesen hatte und der
ein ruhiges Leben mit seiner Familie führte.
Und sie beschäftigten sich
natürlich... mit Lara.
Lara, meine geliebte Lara. Meine Sehnsucht nach ihr war mit keinem
bekannten Wort zu beschreiben.Jeder kleine Gedanke an sie tat mehr weh als meine schwindenden Muskeln oder mein Hunger.
Die größte Pein bereitete mir der Gedanke, dass sie glauben könnte ich hätte sie wieder im Stich gelassen und das sie alleine wäre.
Ein Poltern riss mich aus meiner
Depression. Es war das Geräusch von Füssen, die von meiner
Zimmertüre wegrannten und eben zu dem Poltern wurden, wenn diese
Füße die hölzerne Treppe nach unten sprangen.
Ich seufzte tief. Friederike hatte
wieder an meiner Tür gelauscht.
Es war so still hier mitten in der
Wüste, dass ich selbst das kleinste Geräusch, das diese Stille
störte, wahrnahm. Friederike konnte sich zwar wirklich leise
bewegen, aber trotzdem hörte ich das kaum wahrnehmbare Schaben, wenn
sie sich an meine Tür lehnte um zu lauschen.
Immer wieder rief ich nach ihr, doch
nie bekam ich eine Antwort. Aber da war dieses Gefühl, dieses ganz
bestimmte Gefühl das wohl nur Eltern haben, welches mir sagte das es
nur meine Tochter sein konnte.
Sie blieb nie lange, kaum war sie nach
oben geschlichen hörte ich Friedbert nach ihr rufen und sie rannte
wieder nach unten.
Ich hatte keine Ahnung was Friedbert,
sein Liebhaber Klaus und Friederike den ganzen Tag in dieser
gottverlassenen Einöde machten. Sicherlich würde er, so wie ich ihn
eben kannte, weiterhin versuchen den Verstand meiner Tochter mit
seinen Experimenten zu vergiften. Und wie ich meine Tochter kannte,
würde sie dabei freudig mitmachen.
Sie würde wie zuvor auch glücklich in
den Fachbüchern der häuslichen Bibliothek versinken und Friedbert
konnte wirklich sehr zufrieden mit dem Ergebnis seiner Ausbildung für
Friederike sein.
Ich war mir sicher Friedbert würde
unserer Tochter nicht einen Moment der Ruhe gönnen um ihren kleinen
Kopf mit seinen wahnsinnigen Ideen zu füllen. Und das er damit bei
ihr auf fruchtbaren Boden fallen würde, das wussten wir inzwischen
ja alle.
Sie würde die Wärme und Nähe ihrer
Familie, ihrer Cousins und Onkel und erst recht meine, nicht
vermissen.
Meiner verbitterten Gedanken glitten
zurück zu meinem eigenen Schicksal. Ich saß hier seit Monaten oder
gefühlten Jahren fest, man hielt mich am Leben, doch für was?
Sollte ich wieder als Versuchskaninchen dienen und hielten sie mich
dafür wie in einem zu groß geratenen Käfig?
Ich würde es nie erfahren, auch nicht
dass Friedbert und Klaus feststellen mussten dass das Gift, das sie
mir gegeben hatten, keine Wirkung zeigte. Ich bekam auch nicht mit
das sie sehr intensiv forschten um dem Phänomen auf die Spur zu
kommen.
Doch sie kamen nicht weiter. Friedbert
beschuldigte Klaus Fehler beim Herstellen des Giftes gemacht zu
haben. Klaus hingegen beschuldigte Friedbert ihn in seinen
Forschungen zu behindern.
Also versuchten sie es zwischen ihren
Zankereien weiter und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie
herausfinden würden, warum das Gift nicht wirkte.
Und bis sie es soweit war, musste ich
hier weiter einsam ausharren und grübeln. Oder darauf warten, dass
Friedbert die Nerven verlor und mich einfach in der Wüste aussetzte.
Wie auch immer, ich wollte einfach nur
noch das es schnell ging...
----
----