Mittwoch, 19. Februar 2014

Teil 41 - Schlaflos

Vorher: Teil 40 - Wagnis

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Wenn Friederike dachte ihr Kindheit war von nichts Anderem beherrscht als lernen, dann hatte sie sich geirrt. Seit sie ein Teenager war, trieb Friedbert sie noch härter, noch erbarmungsloser an.
Er hatte kein freundliches Wort mehr für sie, er war mit nichts zufrieden. So sehr sie sich auch bemühte, es war ihm nie genug.



Nahm sie sich eine Auszeit von den Büchern und Experimenten, weil der ständige Druck seinen Tribut forderte, schimpfte er sie undankbar und faul.



Doch nicht nur ihr Vater machte ihr zu schaffen. Die Mauern der Burg, die Wüste und diese Einsamkeit zerrten an ihren Nerven. Die Wutanfälle kamen in immer kürzeren Abständen, sie wurden immer heftiger. Sie versuchte sie vor Friedbert und Klaus zu verheimlichen, doch sie wusste nicht wie lange sie das noch durchhalten würde.
Friederike hatte Angst irgendwann den Verstand zu verlieren.




Nach wie vor schlich sie sich entgegen Friedberts Verbot in den ersten Stock, an die Zimmertür hinter der der Mann gefangen war, der sie geboren hatte. Sie lauschte auf Geräusche, sie hörte seine schlurfenden Schritte. Und sie realisierte, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, mit ihm sprechen zu können. Friederike lehnte sich gegen die Tür und räusperte sich leise, darauf bedacht dass Friedbert nichts mitbekam.
„Daddy?“
Drinnen hob Terry ungläubig den Kopf, zunächst seinen Sinnen nicht trauend. Doch wieder rief die leise Stimme ihn. Er eilte zur Tür.
„Friederike?!“




Sekundenlang war nichts zu hören und Terry wollte sich schon enttäuscht abwenden, als leises Schluchzen durch die Tür drang.
„Daddy, es tut mir leid...“
Ungläubig starrte er die Türe an, dann lehnte er seinen Kopf an das harte Holz, um seiner Tochter näher zu sein.
„Es muss Dir nicht leid tun. Du hast keine Schuld.“
Friederike stemmte sich gegen die Tür, doch sie gab keinen Millimeter nach.
„Ich... ich kann nichts tun. Ich kann diese Tür nicht öffnen.“
Jegliche Hoffnung, die in Terry aufgekeimt war, zerfiel. Er war glücklich dass seine Tochter sich endlich seiner erinnern zu schien, doch die Hoffnungslosigkeit, die er in ihrer jungen Stimme vernahm und die Gewissheit dass er immer noch in diesem Zimmer ausharren musste, ließ ihn beinahe zusammenbrechen. Er krallte seine Finger in das Holz.
„Vielleicht findest Du einen anderen Weg. Bitte!“
Wieder schniefte es und ehe Friederike antworten konnte, bellte Friedberts Stimme nach ihr und sie verschwand.
 



Abends, wenn Friedbert das Haus verließ um seinen heimlichen Geschäften nachzugehen, saß Friederike gerne auf dem Dach der Burg und starrte über die Zinnen hinaus in die Wüste. Sie konnte die ganze Nacht so sitzen, denn inzwischen brauchte sie keinen Schlaf mehr, wie Friedbert. Doch wirklich genießen konnte sie die einsamen Stunden, die sie Ruhe vor ihrem tyrannischen Vater hatte, nicht. Den kleinen Geräuschen der Nacht lauschend, hing sie ihren Gedanken nach, die von innerer Unruhe und Zorn bestimmt waren.
Auch diese Nacht starrte sie vor sich hin, hätte man sie gefragt was sie dort draußen sieht, hätte sie es nicht sagen können. Doch im Gegensatz zu sonst war sie heute nicht der einzige Sim, der die Kühle der Nacht genießen wollte.




Klaus ging neben ihrem Stuhl in die Hocke und lächelte zu ihr auf.
„Friert es Dich nicht, wenn Du die Nächte hier oben verbringst? Nachts wird es in der Wüste ziemlich frisch.“
„Schleichst Du mir etwa nach?“ konterte Friederike mit einer Gegenfrage, das leichte Lächeln erwidernd.
Klaus schmunzelte. „Nein, aber es fällt schon auf wenn junge Damen die Nächte auf dem Dach verbringen.“
Der neckende Unterton in Klaus Stimme ärgerte und amüsierte Friederike gleichermaßen. Sie gluckste kurz, doch dann starrte sie wieder in die Nacht hinaus, als wäre er gar nicht da.
„Was soll ich denn sonst tun“ antwortete sie nach einer Weile.
„Schlafen, wie andere Sims auch?“




Friederike schluckte die aufkommende Bitterkeit hinunter und stand auf.
„Ich kann nicht schlafen.“
Besorgt, weil der kleine Anflug von Leichtigkeit aus ihrer Stimme verschwunden war, kam Klaus ihr nach.
„Willst Du drüber reden?“
Friederike drehte sich wieder zu ihm und musterte ihn misstrauisch.
„Was willst Du, Klaus? Warum bist Du hier rauf gekommen?“
Nun war es an ihm in die Nacht zu starren.
„Vielleicht, weil auch ich jemanden zum Reden brauche.“




Verwundert musterte das Mädchen den Mann mit dem markanten Gesicht. Klaus hatte sich seit ihrer Ankunft in der Burg ihr gegenüber als freundlich, aber meist zurückhaltend erwiesen. Er hatte nichts zu den Geschehnissen gesagt, noch wusste Friederike was zwischen Klaus und Friedbert vor sich ging. Sie wusste nur, dass inzwischen nicht nur sie unter der tyrannischen Art ihres Vaters zu leiden hatte, Klaus wurde ebenso unter Druck gesetzt.
Sie kam neben ihn und schaute ebenfalls wieder in die Nacht.
„Das ist das erste Mal seit Langem das sich jemand mit mir unterhalten möchte.“




Klaus seufzte. „Das Gefühl kenne ich.“
„Dad und Du, Ihr redet wohl nicht viel, wenn ihr alleine seid“ zog Friederike ihn auf.
Das Lachen, dass der Mann neben ihr von sich gab, klang hohl.
„Man kann nicht mit jemandem reden, der nicht da ist, oder?“
„Oh“ gab Friederike zurück. „Ich dachte Dad und Du...“
Klaus verzog das Gesicht. „Nein. Oder besser gesagt... nicht mehr.“




„Nicht mehr?“
„Jeder macht mal Fehler“ meinte Klaus nur und starrte wieder vor sich hin.
„Ja“ gab Friederike knapp zurück und musterte ihn verstohlen. Den Eindruck eines glücklichen Sim machte er wirklich nicht. Ein anderer unglücklicher Mann kam ihr in den Sinn, im Zimmer genau unter ihnen. Ihre Gedanken rasten. War das ihre Chance?
„Hilf mir meinen Daddy zu befreien.“
Klaus drehte sich langsam um und starrte sie an, dann schüttelte er resigniert den Kopf.“
„Das kann ich nicht.“




Friederike spürte wieder den Zorn in ihr hochkochen und sie ballte die Fäuste um zu verhindern das sie sich auf Klaus stürzte.
„Warum nicht! Du bist genau so gemein wie mein Vater!“
Hilflos hob er die Hände. „Beruhige Dich! Ich kann keine der Türen hier öffnen! Er hat alles umprogrammiert!“
Das Mädchen tobte, als hätte sie seine Worte gar nicht gehört. Klaus packte sie an den Handgelenken und drückte sie auf den Stuhl.




„Ruhig, Friederike. Atme tief, immer weiter tief atmen.“
Klaus zwang das Mädchen ihm in die Augen zu sehen und machte jeden Atemzug mit ihr gemeinsam, bis sie in seinen Rhythmus eingefallen war und sich wieder beruhigt hatte. Nach einem Moment ließ er sie los.
„Du kannst es nicht kontrollieren, richtig?“
Langsam schüttelte Friederike den Kopf.
„Es überfällt mich einfach.“
„Ich könnte versuchen ein Mittel dagegen zu finden, wenn Du möchtest.“




Erstaunt musterte Friederike den Mann vor ihr.
„Du willst mir helfen? Warum?“
Klaus seufzte tief, dann trafen sich wieder ihre Blicke.
„Weil wir beide hier raus wollen. Ich helfe Dir und Du hilfst mir.“
„Du willst aus Deinem eigenen Haus raus?“
„Wie gesagt, ein Fehler“ gab Klaus zurück, peinlich berührt.
Friederike musterte ihn zunächst argwöhnisch, doch beschloss dann ihm zu glauben.
„Wie könnte ich Dir schon helfen.“
„Ich habe keine Ahnung von Computern. Friedbert hat das alles entwickelt. Du hast alles von ihm gelernt. Vielleicht kannst Du dieses verdammte Zugangssystem knacken.“
Friederike schnaubte, dann schüttelte sie den Kopf.
„Er hat mich nur das gelehrt, was sein Ego nicht gefährdet.“




Klaus hatte das zwar befürchtet, trotzdem traf Friederikes Antwort ihn hart. Hoffnung war solch ein verführerisches Ding.
„Wir versuchen es trotzdem. Ich suche ein Medikament für Deine Anfälle und Du knackst diesen Computer.“
Hoffnung keimte in Friederike auf. Hoffnung auf Hilfe. Hoffnung hier heraus zu kommen. Hoffnung auf ein normales Leben ohne Anfälle. Hoffnung ihren anderen Vater zu befreien.




„Einverstanden“ erklärte sie und hielt Klaus die Hand hin.
Der Mann erwiderte den Händedruck.
„Also abgemacht. Und nun entschuldige mich bitte, es ist spät und im Gegensatz zu Euch Beiden brauche ich ab und an Schlaf. Gute Nacht.“
Klaus schenkte ihr noch ein kleines Lächeln, dann ging er davon und überließ seine neue Verbündete wieder den Geräuschen der Nacht und den Sternen, die auf sie herunter schienen.
 

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