Samstag, 4. Januar 2014

Teil 21 - Wut

Vorher: Teil 20 - Opa Terry

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Dr. Einsam führte uns in das Intensivzimmer. Lars lag unter einem Sicherheitszelt, das ihn vor der Außenwelt und Infektionen schützen sollte. Pascal blieb stehen und schlug sich die Hand vor den Mund, als er Lars so blass dort liegen sah, doch mir ging es nicht besser.
„Keine Angst“ sagte Dr. Einsam leise. „Er schläft und er wird sich wieder erholen. Das ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme, sonst müssten wir alle Schutzkleidung tragen. Eine OP im Bauchraum ist eine heikle Angelegenheit.“


„Was für eine OP?“ fragte Pascal. „Sprechen sie vom Kaiserschnitt, oder…“
Dr. Einsam winkte ab. „Kommen sie mit. Ich erkläre ihnen alles gleich, aber ich glaube sie möchten sich vorher etwas ansehen, oder?“
Dr. Einsam führte uns in einen anderen Raum, genau das Zimmer, in dem ich mit Friederike gelegen hatte. Es sah immer noch genauso aus, bis auf einen kleinen Unterschied…

 
„Zwei?“ fragte Pascal atemlos. Dr. Einsam nickte.
„Ja, Zwillinge. Zwei Buben.“
Er nahm eines der Kinder aus seinem Bettchen und legte es Pascal in die Arme. „Herzlichen Glückwunsch.“
Pascal schmuste ausgiebig mit seinen Sohn, währenddessen ging ich an das andere Kinderbettchen. Meine Güte, Großvater im Doppelpack… und wieder alles Buben, Friederike war eine Ausnahme…
Über die niedlichen Babys, die mein Sohn mit Pascal produziert hatte, hatte ich fast die Probleme vergessen, von denen der Arzt gesprochen hatte.
 

„Was ist jetzt mit meinem Sohn? Sie wollten uns erklären, was passiert ist!“
Dr. Einsam nickte. Er nahm Pascal das Baby aus dem Arm und legte es in sein Bettchen zurück. „Gehen wir in mein Büro.“
Der gute Doktor ließ uns Platz nehmen und er setzte sich uns gegenüber und wandte sich an Pascal. „Wie sie ja nun wissen hat ihr Mann Zwillinge ausgetragen, Herr Kurios. Das ist ein Umstand, der bei Frauen schon nicht ohne ist, aber ein Mann, der sich ja normalerweise nicht so ausdehnen kann, der hat es da noch schwerer.“
Im wahrsten Sinne des Wortes, dachte ich.
 

„Warum haben sie nicht vorher sehen können, dass es zwei sind? Dann hätte man die Kinder doch viel früher holen können!“ warf Pascal dem Arzt vor.
„Sie lagen direkt hintereinander, ich konnte leider nichts erkennen“ verteidigte sich Dr. Einsam. „Sonst hätte ich das natürlich getan. Denn ihr Mann hatte kaum Platz in seinem Bauch, die Kinder haben ihm die Organe zusammengedrückt, daher auch die wahnsinnigen Schmerzen. Sie müssen doch mitbekommen haben, das er so gut wie gar nichts essen konnte, oder?“
 

Sicher war uns das aufgefallen, ich wunderte mich schon warum mein eh schon sehr schlanker Sohn jetzt auf Diät war, wo er doch schwanger war…
„Und was nun?“ flüsterte Pascal heiser.
„Ich musste ihm ein Stück Dünndarm herausnehmen, was am Absterben war, aber nicht viel. Der Rest muss sich zeigen, aber ich bin zuversichtlich, dass alles nun in Ordnung ist. Er braucht nun Ruhe, und da er ja zwei Babys hat, bitte ich sie, sich Kleidung zu besorgen und hier bei ihm zu bleiben und die Kinder zu versorgen.“
 

Pascal nickte stumm. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er den Schrecken erst mal verdauen musste, mir ging es nicht besser. Dr. Einsam erhob sich und wir standen ebenfalls auf.
„Ehe ich es vergesse: Lars sollte keine Kinder mehr bekommen. Die Schwangerschaft war einfach zu anstrengend für ihn.“
Wieder nickte Pascal stumm und wir gingen nach draußen zum Wagen. Ich fuhr mit ihm nach Hause, um seine Sachen zu holen, er sprach während der ganzen Zeit kein Wort. Ich hätte ein Vermögen gegeben, um zu wissen was ihm im Kopf rum ging.


Pascal ging um seine Sachen zu holen und ich sah kurz nach den Kindern. Friedbert hatte sich gut um sie gekümmert, wenn er etwas tat, dann richtig, er machte keine halben Sachen. Ich alberte noch etwas mit unserer Tochter herum, dann suchte ich Pascal, weil ich ihn noch zurück zum Krankenhaus bringen musste. Er stand im Wohnzimmer und stritt sich mit Friedbert. Pascal hielt die Reste einiger Papiere in der Hand und ich hörte, dass sie wohl der Streitpunkt waren.


 „Bist du wahnsinnig geworden? Das waren alle Forschungsergebnisse! Die Arbeit der letzten zwei Jahre! Ich wollte mich damit für den Sim-o-Belpreis bewerben! Und du hast sie vernichtet! Wie kannst du es wagen mein Lebenswerk zu zerstören! Wärst du nicht mein Bruder, ich würde dich eigenhändig umbringen!“
Ich hatte Pascal noch nie so wütend erlebt.
„DEIN Lebenswerk? Friedbert, du bist nicht das Maß aller Dinge! Wir haben alle daran geforscht! Und ich hätte dadurch beinahe meinen Mann verloren! Ich werde nicht zulassen, dass es anderen Männern genauso geht! Hast du vergessen das es Terry auch beinahe das Leben gekostet hätte?“


 Ein Schweigen folgte und ich hielt gespannt den Atem an.
„Ich hab das nicht vergessen. Doch das war der erste Versuch, wir haben einfach zu lange gewartet. Mit der Erfahrung…“
„Wie viele Versuche willst du denn noch machen, bis du kapierst, dass es zu gefährlich ist? Reichen zwei Fast-Tote denn nicht?“
Friedbert sah aus, als wollte er Pascal die Augen auskratzen.
„Ich warne dich, komm mir nicht in die Quere! Bruder oder nicht, treib es nicht zu weit!“


Friedbert verließ wütend das Haus und schlug die Tür so fest hinter sich zu, dass die Scheiben klirrten. Ich wusste, ich würde ihn die nächsten Tage nicht mehr sehen. Seufzend ging ich zum Telefon, um eine Nanny anzurufen, da mein Ehemann sich wohl in sein Labor geflüchtet hatte. Dann ging ich zu Pascal, der die Schnipsel wegräumte und wartete darauf, dass er abfahrbereit war. Pascal brauchte nicht lange und die Nanny war auch schnell da, so konnten wir endlich fahren.


 Die nächsten Tage war ich mit den Kindern alleine im Kurios-Haus; wie ich es vermutet hatte, ließ sich Friedbert nicht blicken. Ich war sauer auf ihn, selbst wenn er Streit mit Pascal hatte, konnte er sich doch um seinen Ehemann und seine Tochter kümmern, oder sah ich das falsch? Ich war mit den zwei Flöhen zwar mehr als genug beschäftigt, doch auch ich hatte Sorgen und nicht gerade wenige, über die ich gerne mit jemandem geredet hätte.
Lara fiel mir ein, doch ich hatte mich nicht mehr getraut mit ihr zu sprechen, seit ich ihr im Krankenhaus diesen doofen Satz gesagt hatte, für den ich mich jetzt mehr als schämte.


 Pascal rief ab und zu an und erzählte wie es Lars und den Babys ging. Das war meine nächste Sorge, vier Kinder zu hüten war einfach zu viel für mich alleine. Wir mussten uns nun alle zusammen etwas einfallen lassen, wie wir die Betreuung der Kleinen gleichmäßig auf alle Erwachsenen verteilen konnten. Ich war froh, dass Sirius sehr bald zum Kind heranwachsen würde, das war schon eine Erleichterung. Er war ein kluger, verständiger Junge, da würde für mich etwas Arbeit wegfallen.

 

Ich beschäftigte mich sehr viel mit Friederike, sie lernte wahnsinnig schnell, ob das an den Alienhormonen lag? Sie stand Sirius kaum nach, es war ein Wunder… Plötzlich hörte ich die Haustür. Friedbert ließ sich endlich wieder mal blicken. Kaum hatte Friederike ihren Vater gehört, sprang sie auf und lief zu ihm. „Papi, Papi!“
Sie warf sich ihm in die Arme und gluckste glücklich. Ich fühlte einen Stich in meinem Herzen, obwohl ich sie hauptsächlich großzog und mich aufopferungsvoll um sie kümmerte, stürmte sie mir nie so entgegen.


 Friedbert warf Friederike hoch. „Na meine kleine Prinzessin, hast du mich vermisst? Ich habe dir was Feines mitgebracht, das gibt dir Papa Terry jetzt.“
Friedbert stellte einen merkwürdigen Apparat auf, in dem sich Babyflaschen befanden, fertig gefüllt mit Nahrung.
„Schatz, was ist das?“
„Das wirst du Friederike jeden Morgen füttern. Und regelmäßig, nicht einfach auslassen, oder erst mittags geben! Verstanden?“
Ich nickte. „Was ist das, was ich ihr da geben soll?“
„Das ist eine Spezialmilch“ erklärte Friedbert. „Vitamine, Nährstoffe. Gut für ihr Wachstum.“


 „Noch mehr Wachstum?“ argwöhnte ich. „Der Arzt sagt, sie wäre eh schon so groß für ihr Alter…“
Friedbert schrie mich an. „Du tust gefälligst was ich dir sage, verstanden?!“
Zu Tode erschrocken wich ich zurück. Friedbert drehte sich um und verließ wieder das Haus. Total verdattert stand ich da und wusste nicht was ich nun machen sollte. Warum hatte Friedbert mich angeschrien? Hatte ich etwas falsch gemacht?


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