Samstag, 25. Januar 2014

Teil 38 - Mutlos

Vorher: Teil 37 - Auf der Suche

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 Dass die letzten Bilder keinen Text haben, ist Absicht, dass manche nicht zu passen scheinen auch.

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Ich starrte an die Decke meiner „Zelle“. Das war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen seit ich hier eingesperrt war, neben dem Lesen von irgendwelchen Büchern die man mir zuschob, Kreuzworträtseln in alten Zeitschriften und dem Verschlingen meiner kargen Mahlzeit.
Und grübeln. An die Decke starren und grübeln.



Irgendwann rollte ich mich vom Bett. Ich richtete mechanisch meine inzwischen viel zu großen Kleider, der Sweater schlackerte um meinen Körper wie ein alter Sack. Ich ging in das kleine, angrenzende Bad und starrte in den Spiegel. Noch so eine Routine in meinem Gefangenalltag: in den Spiegel starren und mich wundern wer der Schatten dort war, der mir entgegen starrte.
Meine Haare waren inzwischen so lang, dass die Locken sich aushingen, der Bart war grau und zauselig. Mit meinen hohlen Wangen und Augen wirkte ich wie ein Zombie. Ich war mir sicher, bekäme ich die Gelegenheit dazu, wäre ich aus Hunger und Wut sogar bereit gewesen das kranke Hirn einer bestimmten Person zu essen.



Das Geräusch der Tür ließ mich aus meinen Gedanken schrecken. Ich ging zurück ins Zimmer, doch es war schon niemand mehr da.
Irgendjemand hatte einen Stapel Wäsche ins Zimmer geworfen. Ich hob ein paar der Stücke auf und setzte sie ordentlich aufs Bett, doch schnell verlor ich die Lust daran und ließ mich einfach daneben fallen um wieder zu grübeln.
Das war alles was mir blieb: grübeln, grübeln und immer nur grübeln.



Meine Gedanken kreisten um meine Familie, meine Kinder, deren Partner, meine Enkel. Sie kreisten um Niels und Stellas Baby, ob es inzwischen das Licht der Welt erblickt hatte und wie es aussah, ob alle gesund und munter waren, wie Niels sich als Vater machte.

 


Sie glitten zu meinen Kollegen, zu Justin und seiner Trauer um Blue, zu Patrick und seiner intakten Familie.


 


Sie kreisten um Sirius, wie er sich auf dem College schlug. Ob er viele Freundinnen hatte, ob er das Studentenleben genoss und eine Party nach der anderen warf.

 


 Sie beschäftigten sich mit Lars, meinem Ältesten, der immer so große Stärke bewiesen hatte und der ein ruhiges Leben mit seiner Familie führte.



 
Und sie beschäftigten sich natürlich... mit Lara.
Lara, meine geliebte Lara. Meine Sehnsucht nach ihr war mit keinem bekannten Wort zu beschreiben.
Jeder kleine Gedanke an sie tat mehr weh als meine schwindenden Muskeln oder mein Hunger.
Die größte Pein bereitete mir der Gedanke, dass sie glauben könnte ich hätte sie wieder im Stich gelassen und das sie alleine wäre.
 


Ein Poltern riss mich aus meiner Depression. Es war das Geräusch von Füssen, die von meiner Zimmertüre wegrannten und eben zu dem Poltern wurden, wenn diese Füße die hölzerne Treppe nach unten sprangen.
Ich seufzte tief. Friederike hatte wieder an meiner Tür gelauscht.



Es war so still hier mitten in der Wüste, dass ich selbst das kleinste Geräusch, das diese Stille störte, wahrnahm. Friederike konnte sich zwar wirklich leise bewegen, aber trotzdem hörte ich das kaum wahrnehmbare Schaben, wenn sie sich an meine Tür lehnte um zu lauschen.
Immer wieder rief ich nach ihr, doch nie bekam ich eine Antwort. Aber da war dieses Gefühl, dieses ganz bestimmte Gefühl das wohl nur Eltern haben, welches mir sagte das es nur meine Tochter sein konnte.
Sie blieb nie lange, kaum war sie nach oben geschlichen hörte ich Friedbert nach ihr rufen und sie rannte wieder nach unten.



Ich hatte keine Ahnung was Friedbert, sein Liebhaber Klaus und Friederike den ganzen Tag in dieser gottverlassenen Einöde machten. Sicherlich würde er, so wie ich ihn eben kannte, weiterhin versuchen den Verstand meiner Tochter mit seinen Experimenten zu vergiften. Und wie ich meine Tochter kannte, würde sie dabei freudig mitmachen.



Sie würde wie zuvor auch glücklich in den Fachbüchern der häuslichen Bibliothek versinken und Friedbert konnte wirklich sehr zufrieden mit dem Ergebnis seiner Ausbildung für Friederike sein.



Ich war mir sicher Friedbert würde unserer Tochter nicht einen Moment der Ruhe gönnen um ihren kleinen Kopf mit seinen wahnsinnigen Ideen zu füllen. Und das er damit bei ihr auf fruchtbaren Boden fallen würde, das wussten wir inzwischen ja alle.
Sie würde die Wärme und Nähe ihrer Familie, ihrer Cousins und Onkel und erst recht meine, nicht vermissen. 



 
Meiner verbitterten Gedanken glitten zurück zu meinem eigenen Schicksal. Ich saß hier seit Monaten oder gefühlten Jahren fest, man hielt mich am Leben, doch für was? Sollte ich wieder als Versuchskaninchen dienen und hielten sie mich dafür wie in einem zu groß geratenen Käfig?
Ich würde es nie erfahren, auch nicht dass Friedbert und Klaus feststellen mussten dass das Gift, das sie mir gegeben hatten, keine Wirkung zeigte. Ich bekam auch nicht mit das sie sehr intensiv forschten um dem Phänomen auf die Spur zu kommen.



Doch sie kamen nicht weiter. Friedbert beschuldigte Klaus Fehler beim Herstellen des Giftes gemacht zu haben. Klaus hingegen beschuldigte Friedbert ihn in seinen Forschungen zu behindern.
Also versuchten sie es zwischen ihren Zankereien weiter und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie herausfinden würden, warum das Gift nicht wirkte.



Und bis sie es soweit war, musste ich hier weiter einsam ausharren und grübeln. Oder darauf warten, dass Friedbert die Nerven verlor und mich einfach in der Wüste aussetzte.
Wie auch immer, ich wollte einfach nur noch das es schnell ging...



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