Samstag, 4. Januar 2014

Teil 19 - Gefühle

Vorher: Teil 18 - Friederike

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Niels und Stella stiegen aus dem Bus, der unten auf der Straße nach Nirgendwo hielt und liefen zum Haus seiner Mutter. Sie wollten zusammen seinen Vater besuchen, sie wollten das Kind sehen, das auf so unglaubliche Art und Weise entstanden war. Niels hatte sich am Telefon mit seiner Mutter abgesprochen und ihr dabei eröffnet, dass er seine Freundin mitbringen würde und sie sich bitte nicht wundern soll, wenn sie Stella zu Gesicht bekommen würde.


Niels hoffte das seine Mutter damit zurechtkommen würde das Stella ein Alien war. Sicher war er sich nicht, nachdem was mit seinem Vater passiert war. Lara sprach nie darüber, doch Niels wusste genau, wie Lara über die ganzen Geschichten wie Aliens, Männerliebe und Männerschwangerschaften dachte. Niels hoffte natürlich, das seine Eltern Stella akzeptieren würden, aber er war auch entschlossen zu ihr zu halten, falls das nicht der Fall sein sollte.


 Lara kam aus dem Haus um ihren Jüngsten zu begrüßen.
„Hi Mum“ sagte Niels, als er seine Mutter umarmte. „Darf ich dir Stella vorstellen, meine Freundin.“
Lara stutzte zunächst, gab dann aber Stella die Hand. „Sie sind…“
„Ein Halb-Alien“ ergänzte Stella lächelnd. „Ich habe einen irdischen und einen Alien-Vater.“ Als Lara verständnislos guckte, half Niels nach.
„Sie ist so entstanden, wie Lars Ehemann Pascal seinen Sohn bekommen hat.“


„Ich verstehe schon. Aber das ist für mich immer noch so ungewöhnlich“ entschuldigte Lara sich.
Lutz kam dazu und begrüßte den Besuch ebenfalls. „Ja hallo, was haben wir denn hier. Halb-Alien, hmm? Willkommen, ich bin Lutz Larson.“
„Sehr erfreut“ erwiderte Stella, sichtlich froh, dass Niels Mutter und Stiefvater sie so freundlich aufnahmen.
Lara wies ins Haus. „Möchtet ihr noch einen Kaffee trinken, ehe wir fahren?“
Niels schüttelte den Kopf. „Nein, lass uns direkt fahren. Wir müssen ja nachher noch mit dem Bus nach La Fiesta Tech zurück, und die Fahrt dauert lange.“


 Ich lag auf meinem Bett und las in einem Buch, als es an meine Tür klopfte. Ich war sehr aufgeregt, Niels hatte sich angekündigt, endlich sah ich meinen Jüngsten wieder, nachdem er aufs College gegangen war. Außerdem wollte er noch Lara mitbringen, was die Sache für mich noch aufregender machte. Ich legte schnell das Buch weg und bat meinen Besuch herein. Als ich die Beiden begrüßt hatte, sah ich jemand Fremdes im Türrahmen stehen. Du meine Güte, welche eine Perle der Weiblichkeit, ein grünes Mädchen…


 „Niels, würdest du mir die junge Dame einmal vorstellen? Ich bin sicher, zum Krankenhauspersonal gehört sie nicht.“
Niels grinste verlegen. „Dad, das ist Stella, meine Freundin. Stella, mein Vater, Terry Kurios.“
Wir reichten uns die Hände und ich konnte meinem Sohn zu seinem Geschmack nur gratulieren. Sie war sehr hübsch und sehr nett und sie schien sehr gut zu meinem Sohn zu passen. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, dass die zwei zusammenblieben.
 

Ich drehte mich um und beobachtete Lara, die vor Friederikes Kinderbettchen stand und sie betrachtete. Ich konnte ihren Blick nicht einordnen, einerseits war sie wohl verzaubert von dem kleinen Wesen, andererseits auch etwas verunsichert. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, also sagte Lara gar nichts.
Ich räusperte mich und ging zu ihr hin. „Möchtest du sie vielleicht einmal halten?“
Lara blickte mich erstaunt an, dann lächelte sie. „Wenn ich darf, gerne.“
Ich nahm Friederike aus ihrem Bettchen und legte sie vorsichtig in Laras Arme. Wie zufällig berührten sich unsere Finger dabei und ein wohliger Schauer lief über meine Haut.

 

„Unglaublich“ flüsterte sie. „Einfach unglaublich. Das sie in deinem Bauch war…“
„So ging es mir, als unsere Söhne in deinem Bauch waren und ich sie nach den langen Schwangerschaften endlich sehen durfte“ antwortete ich ebenso leise.
Lara lächelte mich an. „Wie heißt sie denn?“
Ich schluckte. Wie würde sie reagieren? „Sie heißt Friederike-Larissa.“


Lara sah mich kurz an, dann senkte sie schnell den Kopf. Ohne mich anzusehen gab sie mir mein Kind zurück. Dabei kam sie mir wieder ganz nah.
„Lara, ich wünschte dies wäre unsere Tochter“ flüsterte ich ihr zu.
Lara hob ruckartig ihren Kopf, sah mich kurz an, dann lief sie aus dem Zimmer. Sie weinte.
 

Vorsichtig legte ich Friederike in ihr Bettchen zurück. Stella und Niels standen die ganze Zeit abseits. Mit einem Seufzer zog ich das Sicherheitsgitter des Bettchens hoch und wandte mich an meinen Sohn. „Und mein Kleiner, was macht das Studium?“


 Mein Besuch blieb leider nicht sehr lange, Lara kam nur noch mal rein um sich von mir zu verabschieden, Niels und Stella mussten ihren Bus erwischen. Doch sie versprachen mich demnächst zu Hause zu besuchen, wenn ich mich mit Friederike wieder eingewöhnt hatte.
Ich packte meine Sachen zusammen, morgen durfte ich das Krankenhaus nach der Abschlussuntersuchung endlich verlassen. Ich war nun vier Wochen hier und sehnte mich nach meiner gewohnten Umgebung. Ich hoffte dass alles gut laufen würde.


 Friedbert spielte im Bad des Kurios-Hauses mit seinem Neffen Sirius. Pascal bat ihn, sich mal ausnahmsweise um den Kleinen zu kümmern, da er und Lars Termine hatten, die sich nicht verschieben ließen und eine gute Nanny kaum zu finden war. Sonst wechselte sich Pascal mit Lars mit der Kinderpflege ab, doch ausgerechnet heute rissen alle Stricke. Friedbert war seit der Geburt seiner Tochter glänzender Laune und so sagte er zu.
„Morgen kommt Terry mit Friederike nach Hause“ erklärte er dem kleinen, grünen Jungen. „Noch ein Weilchen und du hast einen Spielkameraden.“

  
Während Friedbert sich mit Sirius beschäftigte, versuchte Lars sich zu entspannen. Ungeduldig und aufgeregt war er früher von seinen Terminen nach Hause zurückgekehrt, ungeduldig weil er auf Pascals Rückkehr aus dem Labor wartete, aufgeregt, weil er ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte. So machte er zwischenzeitlich seine Yoga-Übungen, die er seit der Trennung seiner Eltern praktizierte, um dem Stress, den sein Vater ihm bereitete, entgegenzuwirken. Lutz hatte ihm damals empfohlen Yoga zu machen, er selbst hatte so den frühen Tod seiner Eltern überwunden.


 Lars war gerade bei seiner letzten Übung, als Pascal nach Hause kam. Besorgt sah er sich seinen Ehemann an, denn er wusste genau, wenn Lars Yoga machte, fühlte er sich nicht wohl. „Schatz, ist alles in Ordnung mit Dir?“
„Ja und Nein“ antwortete Lars. „Meinst du, du bekommst Friedbert dazu auch noch heute Abend auf den Kleinen aufzupassen, ich muss einfach mal mit dir alleine sein.“
„Wird er schon, er mag Sirius. Und wenn nicht, rufe ich eben den Babysitter. Wir werden alleine sein.“


Pascal behielt Recht, Friedbert sagte mit geradezu überschwänglicher Freude zu Sirius zu versorgen. Sie fuhren in das Garten-Restaurant in der Downtown und ließen sich mal so richtig verwöhnen. Doch Lars war schweigsam, sein eh schon ernstes Gesicht wirkte wie eine Maske. „Schatz, was ist denn. Du bist stiller als ein Grab, ist etwas passiert?“


„Kann man so nicht sagen“ beendete Lars sein Schweigen. „Ich fühle mich einfach nicht wohl, es ist… alles ein Belastung.“
„Was belastet dich denn so? Ist es die Arbeit?“
„Nein, es ist unsere Familie, unser Zusammenleben. Es ist mein Vater, es ist dein Bruder, es ist ihre Ehe, das was um uns herum passiert. Pascal, wir sind das einzig Intakte in dieser Familienkonstellation und ich habe Angst das unsere Beziehung daran zerbricht, das ich daran zerbreche!“


 Zutiefst erschrocken sah Pascal seinen Ehemann an. Lars hatte das Gemüt seiner Mutter geerbt, doch Pascal hatte schon öfter vermutet, das Lars wie sein Vater vieles in sich hineinfraß. Er hatte keine Probleme jemandem wie Friedbert Kontra zu geben, doch um Pascals und Terrys Willen hielt er sich zurück. Doch irgendwann war das Fass voll.
„Was willst du tun?“ fragte Pascal ängstlich. „Schatz antworte, ich will dich nicht verlieren!“


 „Ich muss noch was essen“ seufzte Lars. „Mir wird sonst übel.“
„Du isst normalerweise nie soviel“ wunderte sich Pascal.
„Ich weiß. Aber der ganze Mist schlägt mir auf den Magen und wenn ich mich hungrig fühle, wird mir schlecht.“ Lars machte eine kleine Pause, dann redete er weiter. „Pascal, ich will dich auch nicht verlieren. Aber es muss etwas geschehen. Ich kann das nicht mehr mit ansehen.“
Pascal redete leise auf Lars ein. „Wenn wir weggehen, haben wir keine Arbeit mehr. Und Geld für ein anderes Haus habe ich vorerst auch nicht, bis die Anwälte das mit dem Testament geregelt haben. Ich bitte dich, halte noch etwas durch, ich versuche eine Lösung für uns zu finden, okay?“
Lars legte seufzend die Karte weg und stand auf. „Lass uns zahlen und dann in den Club fahren. Mir ist nach Musik zumute.“


 Ihr Lieblingstanzclub war noch leer, es war noch sehr früh. Doch das war Lars und Pascal gerade recht. Sie hatten nur Augen für sich und versuchten keinen Gedanken an die Gegenwart zu verschwenden, was keinem von Beiden gelingen wollte. Pascal sah Lars tief in die Augen und sagte zärtlich: „Du grübelst ja immer noch. Schaffe ich es nicht dich auf angenehmere Gedanken zu bringen?“
„Nein.“ Lars lächelte verschmitzt. „Denn ich grüble über dich nach.“
„Über mich? Hoffentlich nichts Schlimmes…“
„I wo“ sagte Lars und drückte Pascal noch dichter an sich heran. „Es sei denn du würdest es schlimm finden Vater zu werden.“
Pascal sah Lars perplex an. „Du bist… Bist du?“
Lars nickte. „Ja. Ich bin schwanger…“


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Teil 20 - Opa Terry




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