Samstag, 4. Januar 2014

Teil 25 - Wünsche

Vorher: Teil 24 - Fröhliche Weihnachten

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Friedbert blieb die Feiertage bei mir und nach langer Zeit schliefen wir wieder miteinander. Ich wollte zuerst nicht, versuchte mich schlafend zu stellen. Doch immer noch versetzten mich seine Berührungen in einen Zustand, in dem ich mich nicht mehr gegen seine Zärtlichkeiten wehren konnte.


Er liebkoste mich am ganzen Körper, so sanft und zärtlich wie am Anfang unserer Beziehung. Ich spürte wie mein Geist sich dagegen wehrte, doch mein Körper zeigte Friedbert etwas Anderes, er wollte die Befriedigung. So gab ich mich ihm hin und genoss es. Wieder einmal! Immer noch! Sollte ich es eher nicht als unangenehm empfinden, so wie er mich die letzte Zeit behandelt hatte?
 

 Ich hatte sowieso nicht damit gerechnet, dass er dies tun wollte und ich musste mich währenddessen wundern, dass er sich im Bett solche unglaubliche Mühe gab, er hatte mir nie weh getan dabei, aber im Alltag behandelte er mich inzwischen wie Luft. War dies seine Art seine Liebe auszudrücken? Alle hundert Jahre einmal, im Bett?
 
  
Ich lag danach wach, wie schon so oft. Es konnte so nicht sein, früher war er auch außerhalb der Laken liebevoll zu mir. Er war erst so – kalt – seit Friederike da war. Ich hatte von diesem Phänomen bei Männern gehört, die ihre Frauen nach einer Schwangerschaft nicht mehr als Sexualpartnerin sehen konnten, doch das traf hier ja in keinster Weise zu. Was war also das Problem?
 

Ich versuchte zu schlafen, was mir dann zum Glück gelang. Ich schlief gut und fest und bekam so nicht mit, wie Friedbert in der Frühe verschwand. Er hatte sich wieder in sein Labor verzogen, ohne ein Wort, ohne eine Nachricht. Die angenehmen Erinnerungen an die vergangene Nacht waren schlagartig verschwunden und Frust machte sich in mir breit, der mich immer tiefer und tiefer zu ziehen schien.


 Ich setzte mich in die Wanne und stellte das Wasser der Dusche an. Ich blieb einfach dort sitzen und ließ mich berieseln – und hoffte völlig umsonst, dass die Tropfen mein Unglück mit in den Abfluss nehmen würden. Ich weiß nicht wie lange ich dort gesessen habe, aber irgendwann holte mich Ricks Stimme in die Wirklichkeit zurück. „Terry, bist du das dort drinnen? Du hast wohl vergessen das du die einzige Toilette in diesem komischen Haus seit über einer Stunde besetzt hältst!“


 Entsetzt stieg ich aus der Wanne und zog mich an. Nicht nur das ich das Bad besetzt hielt, ich hatte die Kinder vernachlässigt. Verdammt, was war ich nur für ein Vater… Das wäre mir bei Lars und Niels niemals passiert…
Ich ließ Rick hinein, der mich mit wütenden Blicken hinausjagte. Der Arme, er hatte es so eilig, das er sich nicht mal mehr die Zeit nahm abzuschließen.


 Sofort sah ich nach den Kindern. Doch die waren versorgt, ich hatte nicht mehr daran gedacht, dass auch Lars und Pascal wieder zu Hause waren. Und nachdem die Zwillinge ihre Fläschchen bekommen hatten, fütterten sie auch Sirius und Friederike. Dachte ich zumindest. Denn als sie die Kinder versorgen wollten, bekamen die Beiden gerade noch mit, wie Friedbert Friederike mit der letzten Flasche dieser Leucht-Milch gefüttert hatte!


 Verdammt, ich versuchte zu verhindern, dass sie das Zeug trank und nun kam mir mein Ehemann dazwischen! Als ich Friederike zu Gesicht bekam, glühte sie schon nicht mehr, aber sie studierte inzwischen Brehms Tierleben von hinten bis vorne durch. Ich seufzte. Das war nicht gut, nein, gar nicht gut. Ich hoffte nur, jetzt, da diese blöden Super-Flaschen leer waren, würde Friedbert keine Neuen mehr anschleppen.


 Heute war Sylvester und ich überlegte, was wir an diesem Abend anstellen wollten. Irgendwie hatte ich zu nichts Lust, sollte ich wenigstens ein paar Knaller besorgen? Doch auch auf Knaller hatte ich keinen Bock, irgendwie war mir jede Art von verordneter Belustigung zuwider. Ich wusste genau was meine Lustlosigkeit ausgelöst hatte, einmal das Friedbert sich wieder verdrückt hatte und zum anderen packte Rick seine Sachen.


 Morgen fuhr er nach Seattle weiter, verließ mich wieder. Verdammt, der Gedanke schmerzte mich mehr als ich zugeben wollte, ich war so froh gewesen, das er bei mir war. Aber Rick hatte sein eigenes Leben und seine eigenen Probleme. Irgendetwas nagte an ihm, doch er war nicht bereit es mir zu erzählen. Ich bezweifelte immer noch, ob es so eine gute Idee war, das er in unser Elternhaus zurückkehrte.


 So schleppte ich mich mit Trübsal blasend durch den letzten Tag des Jahres. Sohn und Schwiegersohn kümmerten sich weiter um die Kinder, sie meinten ich solle mich mal ausruhen, was ich dankbar annahm. Gegen Abend bereitete ich wenigstens ein Abendessen für uns zu, auch wenn wir nicht wirklich feiern würden, sollten wir nicht hungern.
 

Der nahende Abschied drückte Rick und mir gewaltig aufs Gemüt. Ich musste an früher denken, was wir alles zusammen gemacht haben, obwohl wir altersmäßig so weit auseinander waren, steckten wir ständig zusammen. Ich nahm ihn immer zu unseren Bandproben mit und ich war wohl schuld, das er in diesen komischen Kirchenchor ging. Mein Vater begrüßte das sehr, ein Zeichen seiner verdammten Bigotterie, die Kinder in die Kirche jagen und zu Hause die Familie terrorisieren.
 

Plötzlich kam mir eine Idee. Ich lief zum Telefon und rief bei Lara an. Niels war noch bei ihr, ihn wollte ich sprechen. Und zu meinem Glück ging er selbst dran.
„Niels, bist Du heute Abend zu Hause?“ Verwundert bejahte mein Sohn meine Frage. „Gut, Rick und ich kommen zu Euch runter!“
Ich hängte den Hörer ein, lief in mein Schlafzimmer um etwas zu holen, dann ich zog einen verdutzten Rick hinter mir her. „Terry, wo willst du hin? Und was willst du mit den Sticks?“


 Niels wartete schon auf uns. „Dad, was ist los?“
„Ich will alte Zeiten aufleben lassen“ sagte ich zu meinem Sohn. In Niels Augen blitzte geradezu kindliche Freude auf.
„Ach so“ meinte Rick grinsend. „Du willst die Nachbarschaft aufmischen.“
„Genau“ antwortete ich und grinste ebenfalls. „Mal sehen ob ich es noch kann.“


Ich setzte mich an mein Set und ließ andächtig die Hände über die Drums gleiten. Lutz hatte sie gut gepflegt, er war auch ein begeisterter Drummer gewesen. Und da Friedbert Lärm hasste, hatte ich ihm mein heißgeliebtes Set überlassen. Ich nahm die Sticks aus ihrer Hülle und fing zu spielen an. Ich war vielleicht etwas aus der Übung und es würde einen gewaltigen Muskelkater morgen geben, doch was war das gegen das Gefühl des Rhythmus, der Klang der Becken, das tiefe, kräftige Klopfen der Basstrommel. Immer mehr kam ich in den Fluss der Musik und ließ mich tragen.


Niels hatte sich seine E-Gitarre umgehängt und wir spielten zusammen, wie früher, Vater und Sohn. Er war sehr glücklich darüber, ich konnte es sehen, ich hörte es an seinem Spiel. Er ließ die Gitarre singen, entlockte ihr Töne jenseits der Realität, dass es mir einen Schauer nach dem Anderen über den Rücken jagte. Ich war verdammt stolz auf meinen Sohn.
Rick schüttelte grinsend den Kopf. „Ihr seid verrückt.“


 „Dann sei Du es auch“ meinte ich nur und nickte in Richtung Piano. Rick schüttelte noch mal den Kopf, dann setzte er sich auf den Hocker und fiel in unser Spiel ein. Und nicht nur das, er sang dazu und das sogar sehr gut.
Ich weiß nicht wie lange es gedauert hatte, doch unsere Musik hatte bald die Nachbarn angelockt. Doch niemand beschwerte sich, es war Silvester und endlich war mal was los in diesem verdammten, trostlosen Kaff. Sollten sie doch alle kommen und sehen wie ich mir den Kummer von der Seele spielte!


 Und dann kam Lara. Sie wunderte sich über den Krach und staunte Bauklötze, als sie uns hier sah. Kein Laut kam über ihre Lippen, sieh sah uns einfach nur zu, sie sah mir zu. Sie hatte mich oft beobachtet und ich hatte ihr ihre Lieblingsstücke vorgespielt und sie musste nur anhand des Rhythmus erraten, welches Lied es war. Ich fühlte ihre Augen auf mir ruhen, während ich die Sticks wirbeln ließ und gütige Sim-Göttin, ich fühlte mich plötzlich so gut.


 Rick sah mich, nachdem wir den Titel beendet hatten, kurz an, dann begann er einfach wieder zu spielen. Niels und ich erkannten das Lied und als Rick zu singen anfing, kamen wir mit unseren Instrumenten dazu…

From underneath the trees
We watch the sky
Confusing stars for satellites
I never dreamed that you\'d be mine
But here we are, we\'re here tonight

Singin\' amen, I, I\'m alive
Singin\' amen, I, I\'m alive

If everyone cared and nobody cried
If everyone loved and nobody lied
If everyone shared and swallowed their pride
Then we\'d see the day when nobody died

And I\'m singin\' a-
Amen, I, amen, I, I\'m alive
Amen, I, amen, I, amen, I, I\'m alive

And in the air the fireflies
Our only light in paradise
We\'ll show the world they were wrong
And teach them all to sing along…



Ich liebte dieses Lied. Ricks raue Stimme drang zu mir herüber, die Akkorde von Niels Gitarre schienen ihn zu tragen.
Und ich… Ich spielte wie ich noch nie gespielt hatte. Mein Herz klopfte im Rhythmus meiner Drums, es klopfte, weil sie vor mir stand… Ich lächelte ihr zu und sang leise mit Rick mit.

And as we lie beneath the stars
We realize how small we are
If they could love like you and me
Imagine what the world could be…


 Wir spielten bis weit nach Mitternacht, über den Jahreswechsel hinaus.
Ich hatte für das neue Jahr nur einen Wunsch: das diese Nacht, mit den Menschen, die ich am meisten liebte auf dieser Welt, niemals enden würde…

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 Musiktext: If Everyone Cared - Nickelback

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