Samstag, 4. Januar 2014

Teil 27 - Strangetown at its best

Vorher: Teil 26 - Niete

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 Da stand ich nun, geschniegelt und gebügelt vor dem ehrwürdigen Gebäude der Strangetown TimeTravelLabs.
Ohmann, wie hatte ich den verdammten Kasten vermisst. Gleich hatte ich einen Termin mit Patrick, meinem alten und neuen Chef, um die Details zu besprechen. Ich war gespannt wie es drinnen aussah, waren meine alten Kollegen noch da? Stand meine heiß geliebte Zeitmaschine noch? Oder hatte auch sie der Zahn der Zeit ereilt und sie wurde durch eine neue ersetzt?

 Mein Herz raste, als ich durch die Tür ging. Der Eingangsbereich sah immer noch genauso aus, dasselbe postmoderne, nüchterne Mobiliar. Naja, das war ja auch ein Labor, und kein Salon. Was anderes passte hier ja auch irgendwie nicht hin.
Ich bog nach links ab und landete wie früher in Patricks Vorzimmer. Auch Jill war noch da, Patricks Sekretärin.Erst sah sie mich erstaunt an, dann sprang sie freudig auf und umarmte mich.
„Terry! Ja, was machst du denn hier? Willst du bei dem Chaotenhaufen etwa wieder anfangen?“
 
 Ich nickte. „Ja, ich muss endlich mal wieder etwas Anderes tun. Nur zu Hause sitzen und Kinder hüten ist auf die Dauer langweilig.“
Jill lächelte verständnisvoll. „Wie geht es Lara denn? Passt sie nun auf die Kinder auf?“
Ich schluckte. „Äh, nein, wir sind doch geschieden und ich habe wieder geheiratet…“
„Oh“ meinte Jill nur. „Naja, muss ja eine Epidemie gewesen sein, seinerzeit.“
Sie beugte sich zu mir und raunte mir ins Ohr: „Patrick wurde damals von seiner Frau rausgeworfen, weil er von einem…“
 In diesem Moment ging die Tür auf und eben Genannter kam freudestrahlend auf mich zu.
„Terry! Mensch, das freut mich, dass du wieder zu uns stoßen willst! Komm rein! Jill, zwei Kaffee, ja?“
Jill nickte dienstbeflissen und ich dackelte Patrick hinterher. Sein Büro hatte sich kaum verändert, bis auf das Sofa.
„Setz dich, Terry. Du willst uns also endlich wieder deine Fähigkeiten als Mechaniker zur Verfügung stellen. Das ist gut, sehr gut. Die alte Tante hat dich vermisst, die Technik geht weiter und sie braucht jemand Verantwortungsvollen, der ihren Umbau gewissenhaft macht.“
 „Alte Tante“, so nannten wir liebevoll unsere Zeitmaschine. Es weiß niemand wer darauf kam, sie hieß einfach so. Und wer kennt das nicht, manchmal schienen Maschinen generell eine Art Eigenleben zu besitzen…
„Sie soll umgebaut werden? Ich weiß zwar noch fast alles von früher, aber in den neuen Technologien kenne ich mich noch nicht aus“ gab ich zu bedenken.
„Macht nichts“ meinte Patrick. „Es ist klar, dass du dich erst mal weiterbilden musst, du hast Glück das der Umbau erst in einem halben Jahr beginnen soll. Du hast also genug Zeit, dich mit den Neuerungen vertraut zu machen. Außerdem betrifft das nicht nur dich, sondern auch deinen neuen Mitarbeiter, den ich dir zur Seite stellen werde.“
  Patrick drückte einen Knopf auf der Telefonanlage und kurz darauf öffnete sich die Tür. Ein junger, grünhäutiger Mann trat ein und stellte sich neben Patricks Schreibtisch. Auch wenn er grün war, konnte er die Ähnlichkeit mit Patrick nicht verbergen, diese markante Adlernase konnte er nur von ihm haben. Also das wollte mir Jill vorhin flüstern, Patrick hatte damals ein Verhältnis mit einer Alienfrau!
„Darf ich vorstellen: Justin, mein Sohn. Justin, das ist Terry Kurios, ich hatte dir von ihm erzählt.“Justin lächelte mich an. „Angenehm.“
 „Ihr beide werdet euch um den Umbau der alten Tante kümmern“ wies Patrick uns an. "Ich lege die Zukunft der Labs in eure Hände, ihr genießt mein vollstes Vertrauen. Ich verlange von euch absolutes Teamwork und Präzision. Enttäuscht mich nicht.“
Ich sah meinem neuen, jungen, grünen Kollegen an und nickte. „Das dürfte kein Problem sein, denke ich.“
Justin bestätigte dies ebenfalls durch ein Kopfnicken.
„Wunderbar“ antwortete Patrick zufrieden. „Dann wird es wohl mal Zeit, dass du das alte Mädchen wieder siehst, oder Terry?“
 Freudig stand ich auf. Ja sicher, es war nur eine Maschine, aber ich hatte so lange Jahre daran gearbeitet, dass sie mir fast ein Kumpel war, den ich lange nicht mehr gesehen hatte. Ich freute mich wahnsinnig wieder mit ihr arbeiten zu dürfen.
Patrick und Justin geleiteten mich in den Maschinensaal. Es sah alles noch wie früher aus, die Werkbänke, die Steuermodule…
 Und da war sie, „meine“ Zeitmaschine. Wie sie brummte, wie ihre Kontrolllämpchen flackerten und blitzten.
Gott, wie viele Stunden hatte ich mit diesem Monster verbracht und wie hatte sie mir gefehlt. Es war mir nie so deutlich geworden, doch gerade jetzt spürte ich es genau, ich liebte meine Arbeit, ich brauchte meine Arbeit. Und ich würde sie mit all meinem Enthusiasmus und aller Präzision, die ich nur aufbieten konnte, erfüllen. Endlich würde ich wieder etwas Sinnvolles tun.

Ein eigenartiges Summen erfüllte die Luft. „Was ist das denn, ein Kraftfeld?“ fragte ich erstaunt.
„Ja, das mussten wir installieren, es gibt inzwischen genug Wahnsinnige, die in der Zeit zurückreisen wollen um die Vergangenheit zu ihren Gunsten zu verändern… Bleib davon weg, eine bloße Berührung verwandelt dich zu Asche. Justin wird es deaktivieren.“
Ich war schwer beeindruckt. Einmal die rigorosen Sicherheitsmaßnahmen, die inzwischen hier herrschten, dann wie schnell man wohl sein Leben damit verlieren konnte. Ideal für Suizidgefährdete…


Das Kraftfeld verschwand und wir konnten die Maschine betreten. Patrick bat eine ungewöhnliche, junge Dame zu uns, die an der Konsole gearbeitet hatte.
„Terry, darf ich vorstellen, das ist Blue Antalaxy, Programmiererin vom Planeten Xeon. Sie schreibt die neue Software für die alte Tante.“
Fasziniert betrachtete ich die blauhäutige Frau. An grüne Aliens hatte ich mich ja nun gewöhnt, aber diese Farbe war doch sehr gewöhnungsbedürftig…
Sie verströmte einen eigenartigen Duft, fast wie eine Blüte, die eine Biene anlocken wollte, doch irgendetwas sagte mir, das man dieser Blüte besser fernbleiben sollte.
 Bei Justin indessen schien sie die umgekehrte Wirkung zu erzielen, trotz unserer Anwesenheit zerrte er Blue geradezu in seine Arme und knutsche wie wild mit ihr herum.
„Ohgott ihr zwei, nicht schon wieder!“ zeterte Patrick. „Muss das denn immer in dieser Zeit sein?“
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
 Patrick konnte seinen Sohn von Blue loseisen und wir verließen die Maschine wieder. Justin aktivierte sofort wieder das Kraftfeld. Patrick indessen wandte sich mir zu und versuchte wohl etwas zu erklären.
„Also… ähm… tut mir leid, das eben, aber weißt du… Aliens halt, sie sind… sie sind… manchmal etwas… schwierig. Blue ist in ihrer besonderen Phase gerade und… na ja… es wird dann immer etwas schwierig ihr zu widerstehen, verstehst du? Zum Glück fixieren sie sich nur auf ein Männchen und es hat ausgerechnet meinen Sohn erwischt… Die Liebe zu einem Alien ist manchmal durchaus etwas… ungewöhnlich.“
Ich grinste still in mich hinein. Ich hatte das untrügliche Gefühl, das Patrick etwas vor mir verbergen wollte, was ihm wohl peinlich war…
 Plötzlich klingelte sein Mobiltelefon. Er sah kurz aufs Display, dann nahm der das Gespräch stirnrunzelnd an.
„Ja Schatz? Ja… Ochneee, nicht schon wieder… Ja ist gut, ich komme heim…“ Seufzend drückte er das Gespräch weg.
„Verdammt, die Zwillinge haben schon wieder Marsfieber… Ich muss nach Hause, Terry, wir sehen uns nächsten Montag um halb neun, wie immer, okay?“
Ich nickte nur und Patrick rannte aus dem Gebäude.

Ich lief in die Kantine und hielt nach weiteren Kollegen Ausschau. Ich traf auf Victor, den Roboter. Victor war ein netter, leicht verrückter Kerl, der sich nicht nur hervorragend in Regel- und Messtechnik auskannte, sondern dessen großes Hobby die Soziologie war.
Sprich, wenn man etwas wissen wollte, wo wie wer was wann getan hatte, der musste nur zu Victor gehen.
Vic war höllisch begeistert, als ich ihm erzählte, dass ich ab Montag wieder hier arbeiten würde.
„Yiiihaaaa! Mein alter Kumpel Terry ist wieder da! Das freut den guten, alten Vic…
Mit dir kann man wenigstens auch mal ein gepflegtes Schwätzchen halten! Wie geht’s denn so, altes Haus?“


„Mir geht es gut“ antwortete ich grinsend. „Und dir, immer noch über alles informiert?“ „Klar“ verkündete Vic stolz. „Ich weiß alles! Am neuesten Klatsch interessiert?“
„Hmm, eher an einer kleinen Auskunft“ meinte ich beiläufig. „Ich habe den Eindruck, dass Patrick etwas… gestresst ist…“
„Oooch der“ winkte der Roboter ab, „der hat noch mal Zwillinge bekommen, nachdem er Justin ausgetragen hatte. Ich sag’s dir, seit seiner ersten Alienschwangerschaft ist er geradezu süchtig danach Kinder zu kriegen, wir schließen schon Wetten ab, wann er wieder nen Braten im Ofen hat…“
Das war es also. Er war wohl nicht mit einer Alienfrau verheiratet, sondern mit einem Alienmann… Deshalb war er damals so dick und verschwand dann in einer „Schlankheitskur“, aus der er nach mehreren Wochen Aufenthalt „erschlankt“ wieder kam…
Das waren wohl auch die Eheprobleme mit seiner ersten Frau, die er damals erwähnte, ein Verhältnis mit einem Alien...


Grinsend ging ich nach Hause. Das war Strangetown at its best.Die Stadt der Verrückten, in der eben einfach alles verrückt war…
 

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